
(ha/mr). Am 27. Oktober 2024 gegen 6.40 Uhr wurde die Einsatzzentrale der Bundespolizeiinspektion Hamburg von einem Zugbegleiter eines Metronom-Zuges telefonisch über einen Mann (44) informiert, der vor zwei Reisenden (26, 29) unabhängig voneinander unter direktem Blickkontakt an seinem Geschlechtsteil mehrfach manipuliert haben soll. Der Zug befand sich auf der Fahrt von Lüneburg nach Hamburg-Harburg. Nach Einfahrt des Metronom im Bahnhof Harburg konnte eine Streife der Bundespolizei den Tatverdächtigen, sowie die beiden geschädigten Frauen vor Ort feststellen.
„Bei der ersten Geschädigten soll der Tatverdächtige in einer Vierer-Sitzgruppe seine Hand in die geöffnete Hose gesteckt und offensichtlich an seinem Geschlechtsteil manipuliert haben. Dabei soll der deutsche Staatsangehörige die Frau während der Handlungen angestarrt haben“, sagt Rüdiger Carstens, Pressesprecher der Bundespolizei.
Angewidert entfernte sich die Geschädigte von ihrem Sitzplatz und wurde im Zug noch kurzzeitig von dem Beschuldigten verfolgt. Offensichtlich suchte der Beschuldigte sich dann anschließend ein neues Opfer. Wiederum soll sich der Beschuldigte gegenüber einer Reisenden in eine Vierer-Sitzgruppe gesetzt haben. Dabei soll er sein Geschlechtsteil entblößt und an diesem vor der Geschädigten manipuliert haben. Dabei soll der Tatverdächtige den direkten Blickkontakt zu der Geschädigten gesucht haben.
Die 26-Jährige verließ den Sitzplatz und informierte den Zugbegleiter. Dieser forderte über die Einsatzzentrale der Bundespolizeiinspektion Hamburg eine Streife an. Nach Einfahrt des Zuges im Bahnhof Harburg konnte der Tatverdächtige vor Ort gestellt werden.
Der Beschuldigte gab nach Angaben der Polizei die Taten nicht zu. Gegen den polizeilich bekannten Mann wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf exhibitionistische Handlungen eingeleitet. Nach Abschluss der bundespolizeilichen Maßnahmen musste der 44-Jährige nach erkennungsdienstlicher Behandlung vor Ort entlassen werden. Über den bundespolizeilichen Opferschutz wird den geschädigten Frauen entsprechende Hilfe angeboten werden. Die weiteren Ermittlungen werden vom Ermittlungsdienst der Bundespolizeiinspektion Hamburg geführt.
Umstrittender Straftatbestand: Exhibitionismus § 183: Konrads Kommentar
Kommentar: Auf dieser Seite berichten wir über einen Mann, der sich exhibitionistisch gezeigt haben soll. Es betrifft den § 183 Strafgesetzbuch (StGB), der solche Handlungen unter Strafe stellt. Aber ist dieser Paragraf überhaupt noch zeitgemäß?
Das deutsche Strafgesetzbuch hat mittlerweile 133 Jahre auf dem Buckel. Zwischenzeitlich wurden immer wieder aus der Zeit gefallene Paragrafen verändert, sogar ersatzlos gestrichen. Beispielsweise § 175, der die „Unzucht zwischen Männern“ mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus sanktionierte. Der Staat hat Homosexualität 123 Jahre kriminalisiert und Verfolgung von schwulen und bisexuellen Männern legitimiert. Erst seit dem 11. Juni 1994 gibt es in Deutschland keine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität mehr. § 175 StGB wurde endgültig abgeschafft. Im Jahr 2024 unvorstellbar, dass Schwule strafrechtlich verfolgt werden.
Wie viele homoxeuelle Männer wurden verurteilt?
Genaue Zahlen über die Anzahl der Verurteilten liegen nicht vor, wie es bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes heißt. Bis zum Zusammenbruch des Kaiserreichs wurden etwa 10.000 Männer nach diesem Gesetz verurteilt. Im Dritten Reich wurden aufgrund des Paragrafen 175 bis zu 50.000 Männer inhaftiert und etwa 15.000 kamen in Konzentrationslager. Zudem wurden in der Bundesrepublik zirka 50.000 Männer zwischen 1950 und 1969 verurteilt und bis zur Streichung des Gesetzes 1994 noch weitere etwa 3.500.
Sehr umstritten ist auch heute noch der § 183. Er beinhaltet exhibitionistische Handlungen, die nur Männer betrifft.
Die Strafvorschrift des § 183 StGB lautet:
Absatz 1: Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Absatz 2: Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, das die Strafverfolgungsbehörden wegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
Nach Meinung vieler Wissenschaftler und Juristen gehört § 183 abgeschafft, genauso wie § 183 a (Erregung öffentlichen Ärgernisses durch sexuelle Handlungen). Zu den Befürwortern der Abschaffung gehört Thomas Fischer, Rechtswissenschaftler und Richter (er war von 2000 bis 2017 Richter im 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, ab 2013 als Vorsitzender).
Gründe dafür gibt es jede Menge: eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Reformkommission des Strafrechts bezogen auf Sexualstraftaten kam zu dem Ergebnis (SEite 369), dass „Exhibitionistische Handlungen zu keiner Gefährdung oder Verletzung des Rechtsgutes der sexuellen Selbstbestimmung führen, die vor dem Hintergrund des Ultima-Ratio-Prinzips eine Strafbarkeit rechtgfertigt.“
Was macht ein Exhibitionist? Richtig: er zeigt sich anderen Personen – entweder nackt oder nur sein Genital. Und sicherlich gibt es Personen – insbesondere Frauen – die das nicht sehen wollen und sich belästigt fühlen. Aber genau das ist der Punkt: werden wir nicht ständig von irgendwas im Alltag belästigt? Laute Musik im Stadtpark? Aggressives Betteln am Hauptbahnhof? Ansprache von Betrunkenen in einer Fußgängerzone? Personen, die sich auf St. Georg auf offener Straße eine Spritze setzen?
Hat die Gesellschaft nicht gelernt, mit („leichten“) Belästigungen zu leben, ihnen aus dem Weg zu gehen? Jeder macht einen Bogen, wenn auf der Reeperbahn ein Betrunkener in seiner eigenen Kotze am Boden liegt. Ekelhafter Anblick, oder? Aber genauso argumentieren viele Frauen, wenn sie einen Exhibitionisten sehen: ekelhaft!
Wie wäre es, wenn man einen Exhibitionisten einfach ignoriert, einfach nicht hinschaut? Abgesehen davon, dass sich nicht jede Person von einem Exhibitionisten belästigt fühlt (immerhin gehen viele Personen einfach weiter, lachen oder bleiben stehen und schauen zu). Der Mann belästigt allenfalls eine andere Person, indem er sie mit einer exhibitionistischen Handlung konfrontiert. Aber sind Belästigungen nicht generell ein Problem? Was, wenn ein Reisender einen Döner isst, der mehrere Fahrgäste drum herum belästigt? Es lässt sich auch nicht wissenschaftlich belegen, dass exhibitionistische Handlungen den Beginn einer gefährlichen Verlaufsentwicklung erklären und womöglich in handgreifliche sexuelle Übergriffe umwandeln.
Wovor also hat der Gesetzgeber Angst? Warum tut er sich so schwer, auch den Paragrafen 183 zu streichen? Pro Jahr werden insgesamt in Deutschland etwa 7.500 bis 8.500 Fälle von Exhibitionismus (oder Erregung öffentlichen Ärgernisses) angezeigt. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 84 Millionen Menschen, die in unserem Land leben, ist es also ein extrem kleiner Teil. Für jeden Einzelnen, der allerdings wegen Verstoßes gegen § 183 vor Gericht landet und verurteilt wird (Geld- oder Haftstrafe), bedeutet es, dass er vorbestraft ist. Ist das im Sinne der Gesellschaft? Gerade in Zeiten, wo Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert diskutiert und der der Konsum von Cannabis legalisiert werden soll.
Übrigens: wer sich in der Öffentlichkeit exhibitionistisch zeigt, könnte zukünftig dennoch zur Kasse gebeten werden, wenn der Gesetzgeber aus einer Straftat eine Ordnungswidrigkeit macht.
Und wer sich, wie oben beschrieben, vor Kindern exhibitionistisch zeigt, macht sich strafbar wegen sexueller Handlungen vor Kindern.

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Gerne weisen wir an dieser Stelle auf unseren Buchtipp hin „Tagebuch eines Exhibitionisten“ – Kick: Sich vor unfreiwilligem Publikum zu entblößen.

(ha). Norman Schulz ist Exhibitionist. Der aus Essen stammende Zeigefreudige beschreibt seine Gefühle, wenn er sich vor fremdem Publikum entblößt. Er erklärt genau, wie die vorwiegend jungen Frauen in den verschidenen Situationen reagieren. Außerdem gibt er seine Gedanken preis, wenn er von Frauen in der Öffentlichkeit gesehen wird. Was er alles als Exhibitionist erlebt hat, sei es mit Polizisten, Richtern und Betroffenen, beschreibt er datailliert in seinem Buch. Abgerundet wird das Buch mit Urteilen zum Thema „Exhibitionismus“, Witzen, Zeitungsartikeln und Zukunftsplänen zum Sexualstrafrecht. Zudem gibt das Buch Ratschläge aus Sicht eines Betroffenen und aus Sicht der Polizei. Angaben zum Buch: Das Buch ist erschienen bei Books on Demand, Norderstedt, im Jahr 2016. Autor: Norman Schulz.
Angaben zum Buch:
Das Buch ist erschienen im FoTe Press Zeitungsverlag, Autor: Norman Schulz, Seitenzahl: 240, Abmessung: 210mm x 148mm x 10mm. Käuflich zu erwerben unter www.FoTe-Press.de/produkte.