Aktenstau bei der Hamburger Justiz: Tausende unerledigte Verfahren

Der Eingangsbereich der Staatsanwalrschaft Hamburg. Symbolfoto: FoTe Press

(mr/ha). Die Zahl der unerledigten Strafverfahren in Hamburg hat sich innerhalb von drei Jahren mehr als verdoppelt: Von etwa 23.000 auf knapp 48.000 Fälle. Trotz wiederholter Stellenoffensiven bleiben viele Planstellen in den Behörden unbesetzt. Derzeit sind über 45 Stellen bei der Staatsanwaltschaft vakant – darunter 17 für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und fast ein Dutzend in den Geschäftsstellen. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Ermittlungsverfahren hat sich deutlich erhöht – von 1,5 Monaten im Jahr 2023 auf 2,9 Monate im ersten Quartal 2025. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion hervor (Drs. 23/214).

Besonders alarmierend: In Deliktsbereichen wie Kinderpornografie, Ausländerkriminalität und Eigentumsdelikten sind die Fallzahlen unerledigter Verfahren teilweise um über 200 Prozent gestiegen. Zwar lobt der Senat eigene Digitalisierungsprojekte, etwa zur Einführung der elektronischen Strafakte – doch deren vollständige Umsetzung ist erst für Januar 2026 geplant. Damit ist Hamburg deutlich später dran als andere Bundesländer.
Die AfD-Fraktion fordert unter anderem die Einrichtung einer „Zentralen Vorprüfstelle für Strafsachen (ZVS) zur Entlastung der Staatsanwaltschaft“; Tempo bei der Einführung der elektronischen Strafakte und eine Task Force zur Beseitigung der Personalvakanzen. Dazu sollen auch Amtsanwälte und Rechtsreferendare stärker eingebunden werden.

Auf die Frage, ob es besondere Deliktsbereiche, in denen sich die Zahl unerledigter Verfahren besonders stark erhöht hätte, antwortete der Senat:

Unerledigte Ermittlungsverfahren in 2024 im Vergleich zu 2020

Staatsschutzsachen 2 (2020) und 8 (2024)

Politische Straftaten 193 (2020) und 575 (2024)

Verbreitung pornografischer Schriften 387 (2020) und 1.473 (2024)

Diebstahl und Unterschlagung 2.757 (2020) und 5.638 (2024)

Verkehrsstraftaten mit fahrlässiger Tötung, gemeingefährliche Straftaten (Gefährdung des Bahn-,
Schiffs- und Luftverkehrs) 51 (2020) und 151 (2024)

Geldwäschedelikte 391 (2020) und 1.473 (2024)

sonstige Straftaten nach dem Ausländer- und Asylverfahrensgesetz 717 (2020) und 1.718 (2024)

Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, für die das
Gesetz eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr 582 (2020) und 1.276 (2024)

In Hamburg waren Ende des zweiten Quartals den Angaben zufolge 64.404 Verfahren offen. Zum Vergleich: Ende 2021 waren es noch 22.900. Die Zahl der bei der Staatsanwaltschaft neu eingegangenen Verfahren belief sich zuletzt auf über 94.000. Der Deutsche Richterbund warnt unterdessen: Es gebe jetzt schon bundesweit zu wenig Personal bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten. Durch die anstehende Pensionierungswelle werde sich das Problem verschärfen.

Im Rahmen von Pressemitteilungen, die uns die Staatsanwaltschaft Hamburg einmal wöchenttlich zukommen lässt, bekommen wir immer häufiger Vorfälle zu lesen, die mitunter drei, vier Jahre her sind. So werden in der kommenden Woche an verschiedenen Gerichten Hamburgs Fälle von Nötigung vom 29.3.2023 (Nötigung* 7101 Js 290/24 (620 Ds 34/24) und beispielweise Brandstiftung vom 6.11.2022 (Brandstiftung * 6701 Js 331/22 (629 Ls 3/23) verhandelt.


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