Verdacht der Erregung öffentlichen Ärgernisses in einem Zug

Mehrere Schnellzüge des Typs ICE stehen am Bahnhof Altona in Hamburg. Symbolfoto: FoTe Press

(ha). Am 2. Januar 2025 gegen 16:11 Uhr soll es nach derzeitigem Ermittlungsstand der Bundespolizeiinspektion Hamburg in einem fahrenden Fernverkehrszug von Hannover Hauptbahnhof in Richtung Hamburg Hauptbahnhof zu einer Erregung öffentlichen Ärgernisses gekommen sein.

Demnach soll ein 28-jähriger Mann an seinem Geschlechtsteil auf seinem Sitzplatz während der Fahrt manipuliert haben. Eine Geschädigte (26) reiste mit ihrem 1-jährigen Neffen, der durch das Zugabteil krabbelte. Das 1-jährige Kind soll zufällig zwischen die Füße des Tatverdächtigen gekrabbelt und dort von der Geschädigten aufgehoben worden sein. Hierbei bemerkte die Frau die Tathandlungen und setzte umgehend den Zugbegleiter in Kenntnis. Der Zugbegleiter forderte die Bundespolizei zum nächsten Halt des Zuges im Hamburger Hauptbahnhof an.

Eine Streife konnte den Tatverdächtigen nach Einfahrt des Zuges im Hamburger Hauptbahnhof auf Gleis 8 um 16:26 Uhr vorläufig festnehmen und zum Bundespolizeirevier Hamburg Hauptbahnhof zuführen.

Eine Alkoholisierung konnte beim afghanischen Staatsangehörigen nicht festgestellt werden, wie ein Sprecher der Bundespolizei mitteilt. Er gab die Tatbegehung zu, wollte sich aber nicht weiter äußern. Nach Durchführung der bundespolizeilichen Maßnahmen musste der Mann aus der Wache mit einem Platzverweis entlassen werden. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen der Straftat „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ eingeleitet. Die weiteren Ermittlungen werden durch den Ermittlungsdienst der Bundespolizeiinspektion Hamburg geführt.


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Umstrittender Straftatbestand: Exhibitionismus § 183: Konrads Kommentar

Kommentar: Auf dieser Seite berichten wir über einen Mann, der sich exhibitionistisch gezeigt haben soll. Es betrifft den § 183 beziehungsweise § 183a Strafgesetzbuch (StGB), der solche Handlungen unter Strafe stellt. Aber ist dieser Paragraf überhaupt noch zeitgemäß?

Das deutsche Strafgesetzbuch hat mittlerweile 133 Jahre auf dem Buckel. Zwischenzeitlich wurden immer wieder aus der Zeit gefallene Paragrafen verändert, sogar ersatzlos gestrichen. Beispielsweise § 175, der die „Unzucht zwischen Männern“ mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus sanktionierte. Der Staat hat Homosexualität 123 Jahre kriminalisiert und Verfolgung von schwulen und bisexuellen Männern legitimiert. Erst seit dem 11. Juni 1994 gibt es in Deutschland keine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität mehr. § 175 StGB wurde endgültig abgeschafft. Im Jahr 2024 unvorstellbar, dass Schwule strafrechtlich verfolgt werden.

Wie viele homoxeuelle Männer wurden verurteilt?

Genaue Zahlen über die Anzahl der Verurteilten liegen nicht vor, wie es bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes heißt. Bis zum Zusammenbruch des Kaiserreichs wurden etwa 10.000 Männer nach diesem Gesetz verurteilt. Im Dritten Reich wurden aufgrund des Paragrafen 175 bis zu 50.000 Männer inhaftiert und etwa 15.000 kamen in Konzentrationslager. Zudem wurden in der Bundesrepublik zirka 50.000 Männer zwischen 1950 und 1969 verurteilt und bis zur Streichung des Gesetzes 1994 noch weitere etwa 3.500.

Sehr umstritten ist auch heute noch der § 183. Er beinhaltet exhibitionistische Handlungen, die nur Männer betrifft.

Die Strafvorschrift des § 183 StGB lautet:

Absatz 1: Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Absatz 2: Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, das die Strafverfolgungsbehörden wegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Nach Meinung vieler Wissenschaftler und Juristen gehört § 183 abgeschafft, genauso wie § 183 a (Erregung öffentlichen Ärgernisses durch sexuelle Handlungen). Zu den Befürwortern der Abschaffung gehört Thomas Fischer, Rechts­wissenschaftler und Richter (er war von 2000 bis 2017 Richter im 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, ab 2013 als Vorsitzender).  

Gründe dafür gibt es jede Menge: eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Reformkommission des Strafrechts bezogen auf Sexualstraftaten kam zu dem Ergebnis (SEite 369), dass „Exhibitionistische Handlungen zu keiner Gefährdung oder Verletzung des Rechtsgutes der sexuellen Selbstbestimmung führen, die vor dem Hintergrund des Ultima-Ratio-Prinzips eine Strafbarkeit rechtgfertigt.“

Was macht ein Exhibitionist? Richtig: er zeigt sich anderen Personen – entweder nackt oder nur sein Genital. Und sicherlich gibt es Personen – insbesondere Frauen – die das nicht sehen wollen und sich belästigt fühlen. Aber genau das ist der Punkt: werden wir nicht ständig von irgendwas im Alltag belästigt? Laute Musik im Stadtpark? Aggressives Betteln am Hauptbahnhof? Ansprache von Betrunkenen in einer Fußgängerzone? Personen, die sich auf St. Georg auf offener Straße eine Spritze setzen?

Hat die Gesellschaft nicht gelernt, mit („leichten“) Belästigungen zu leben, ihnen aus dem Weg zu gehen? Jeder macht einen Bogen, wenn auf der Reeperbahn ein Betrunkener in seiner eigenen Kotze am Boden liegt. Ekelhafter Anblick, oder? Aber genauso argumentieren viele Frauen, wenn sie einen Exhibitionisten sehen: ekelhaft! Widerlich!

Wie wäre es, wenn man einen Exhibitionisten einfach ignoriert, einfach nicht hinschaut? Abgesehen davon, dass sich nicht jede Person von einem Exhibitionisten belästigt fühlt (immerhin gehen viele Personen einfach weiter, lachen oder bleiben stehen und schauen zu). Der Mann belästigt allenfalls eine andere Person, indem er sie mit einer exhibitionistischen Handlung konfrontiert. Aber sind Belästigungen nicht generell ein Problem? Was, wenn ein Reisender einen Döner isst, der mehrere Fahrgäste drum herum belästigt?

Es lässt sich auch nicht wissenschaftlich belegen, dass exhibitionistische Handlungen den Beginn einer gefährlichen Verlaufsentwicklung erklären und womöglich in handgreifliche sexuelle Übergriffe umwandeln. Eine Sprecherin der Polizei Stuttgart wird in einem Zeitungsartikel folgendermaßen zitiert: „Wer in der Öffentlichkeit bewusst vor Frauen onaniert und ungestraft bleibt, könnte sich ermutigt fühlen, das nächste Mal sogar einen Schritt weiter zu gehen“, so die Polizeisprecherin. Diese Aussage macht sprachlos. Was nimmt sich die Behördensprecherin bloß heraus? Das wäre genauso, als würde sie sagen: „Bitte zeigen Sie jeden Ladendieb an. Wer weiß, was er sonst noch macht.“ Den Wunsch nach körperlichem Kontakt zum Opfer haben Exhibitionisten regelmäßig nicht. Daher kommt es bei exhibitionistischen Handlungen fast nie zu körperlichen Übergriffen.

Wovor also hat der Gesetzgeber Angst? Warum tut er sich so schwer, auch den Paragrafen 183 zu streichen? Pro Jahr werden insgesamt in Deutschland etwa 7.500 bis 8.500 Fälle von Exhibitionismus (oder Erregung öffentlichen Ärgernisses) angezeigt. Bei einer Einwohnerzahl von etwa 84 Millionen Menschen, die in unserem Land leben, ist es also ein extrem kleiner Teil. Für jeden Einzelnen, der allerdings wegen Verstoßes gegen § 183 vor Gericht landet und verurteilt wird (Geld- oder Haftstrafe), bedeutet es, dass er vorbestraft ist. Ist das im Sinne der Gesellschaft? Gerade in Zeiten, wo Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert diskutiert und der Konsum von Cannabis legalisiert werden soll.

Übrigens: wer sich in der Öffentlichkeit exhibitionistisch zeigt, könnte zukünftig dennoch zur Kasse gebeten werden, wenn der Gesetzgeber aus einer Straftat eine Ordnungswidrigkeit macht. Und wer sich vor Kindern exhibitionistisch zeigt, macht sich strafbar wegen sexueller Handlungen vor Kindern.

Übrigens: Im Nachbarland Schweiz wird gemäss Art. 194 Abs. 1 StGB auf Antrag Exhibitionismus mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft. Dort gibt es keine Gefängnisstrafen.


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Gerne weisen wir an dieser Stelle auf unseren Buchtipp hin „Tagebuch eines Exhibitionisten“ – Kick: Sich vor unfreiwilligem Publikum zu entblößen.

Buchtipp

(ha). Norman Schulz ist Exhibitionist. Der aus Essen stammende Zeigefreudige beschreibt seine Gefühle, wenn er sich vor fremdem Publikum entblößt. Er erklärt genau, wie die vorwiegend jungen Frauen in den verschidenen Situationen reagieren. Außerdem gibt er seine Gedanken preis, wenn er von Frauen in der Öffentlichkeit gesehen wird. Was er alles als Exhibitionist erlebt hat, sei es mit Polizisten, Richtern und Betroffenen, beschreibt er datailliert in seinem Buch. Abgerundet wird das Buch mit Urteilen zum Thema „Exhibitionismus“, Witzen, Zeitungsartikeln und Zukunftsplänen zum Sexualstrafrecht. Zudem gibt das Buch Ratschläge aus Sicht eines Betroffenen und aus Sicht der Polizei. Angaben zum Buch: Das Buch ist erschienen bei Books on Demand, Norderstedt, im Jahr 2016. Autor: Norman Schulz.

Angaben zum Buch:
Das Buch ist erschienen im FoTe Press Zeitungsverlag, Autor: Norman Schulz, Seitenzahl: 240, Abmessung: 210mm x 148mm x 10mm. Käuflich zu erwerben unter www.FoTe-Press.de/produkte.