Hamburg verliert immer mehr Grün

Das Stadtbild in Hamburg verliert immer mehr Bäume, wie der NABU ausgewertet hat. Symbolfoto: FoTe-Press

(mr/ha). Bereits in der Schule lernt jedes Kind: Bäume sorgen für gute Luft. Bäume nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und geben als Abfallprodukt der Photosynthese Sauerstoff frei, den alle Lebewesen zum Atmen brauchen. Auch Bäume selbst atmen und verbrauchen hierfür Sauerstoff. Glücklicherweise weitaus weniger, als sie produzieren. Gerade in einer Millionenstadt wie Hamburg tragen Bäume für ein gutes Luftklima bei.

Nun gibt der NABU Hamburg seine Auswertung der Hamburger Baumfälllisten bekannt und die zeigt ganz deutlich, dass in den sieben Hamburger Bezirken mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt werden. Gerade der Verlust alter Baumbestände hinterlässt schmerzhafte Lücken im städtischen Ökosystem, wie der NABU mitteilt. In den vergangenen Jahren wurden pro Saison um die Tausend Bäume gefällt, in der Saison 2017/18 sind es mit 946 ähnlich viele. In folgenden drei Bezirken wurden die meisten Stämme abgesägt: Altona (224), in Mitte (187) und in Bergedorf (140).

Der Verlust von Straßenbäumen, vor allem der Wegfall von älteren Bäumen, ist besonders beklagenswert. Häufig fallen die Bäume Umbaumaßnahmen von Straßen zum Opfer. Wenn Straßen, Rad- oder Fußwege mehr Platz erhalten, ist für Ersatzpflanzungen an gleicher Stelle anschließend oft kein Platz mehr vorhanden. 

„Der Verlust von Straßenbäumen ist ein trauriger Beitrag zum Grünverlust in unserer Stadt. Bäume tragen zur Lebensqualität und zur Gesundheit im Großstadtalltag bei. Sie brauchen Raum und Pflege. Ihr Verlust schmerzt und wir fordern deshalb auch mit Blick auf die Straßenbäume, dass Hamburgs Grün erhalten bleiben muss“, sagt Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg. Aufmerksame Spaziergänger können in fast jedem Stadtteil feststellen, dass immer mehr Bäume verschwinden. „Direkt an der Wichernschule standen mehrere Bäume. Die sind von heute auf morgen plötzlich verschwunden“, ärgert sich eine Anwohnerin aus dem Horner Weg und ergänzt: „Es ergibt meiner Meinung nach keinen Sinn, dass hier mehrere Bäume abgesägt wurden.“

Die Wichernschule in Horn. An einem Verbindungsweg wurden zahlreiche Bäume gefällt – wie überall in Hamburg. Foto: FoTe-Press

Und das Bäumefällen geht weiter. Vor dem Hintergrund der laufenden Klage gegen die Entwicklung eines Logistik-Parks auf der Fläche des Vollhöfener Waldes kritisieren die Umweltverbände BUND und NABU die aktuellen Eingriffe in das Areal in Altenwerder West. Nach Einschätzung der Umweltverbände besteht die Gefahr, dass die Hamburg Port Authority (HPA) die endgültige Rodung des rund 23.000 Bäume umfassenden Waldes unmittelbar umsetzen will. Laufende Baugrunduntersuchungen mit rund zwei Kilometer langen Schneisen in wertvolle Gebüsche schaffen bereits jetzt Fakten und es drohen irreversible Schäden. Vor über zwei Jahren haben die Umweltverbände gerichtliche Prüfungen angestoßen, ob das im Hafenerweiterungsgebiet geltende „Hafenprivileg”, das HPA über die Hafenplanungsverordnung Hafenentwicklung auch ohne gesetzliche Umweltprüfung gewährt, überhaupt rechtens ist.

„Diese Art des Vorgehens der HPA ist inakzeptabel, weil wir selbstverständlich erwarten, dass HPA vor einem derartigen Eingriff die gerichtliche Überprüfung abwartet. Die ökologische Bedeutung des Areals steht durch die von HPA beauftragten Gutachten völlig außer Frage. Deswegen ist es auch moralisch verwerflich, unter dem Deckmantel von Baugrunduntersuchungen nun schon mal Fakten zu Lasten der Natur zu schaffen“, sagt Alexander Porschke, Landesvorsitzender des NABU Hamburgs. 

Der Wald zwischen der Straße Vollhöfener Weiden und Alter Süderelbe in Altenwerder („Vollhöfener Wald“) ist ein wichtiger Teil des Biotopverbundes zwischen den Naturschutzgebieten „Moorgürtel“ und „Alte Süderelbe / Westerweiden“ und bietet seltenen Arten im Süderelberaum einen Rückzugsraum. Durch die Lebensraumvielfalt und die weitgehende Ungestörtheit weist das gesamte Gebiet eine hohe Bedeutung für Vögel- und Fledermäuse auf. Hier brüten beispielsweise die geschützten und gefährdeten Vogelarten Gelbspötter, Kleinspecht und Trauerschnäpper. Außerdem finden sich hier Rauhaut- und Wasserfledermaus, die beide auf der Roten Liste stehen.

Der 45 Hektar große, ökologisch hochwertige Weiden-Wald am Rand der Alten Süderelbe soll für Logistikflächen in Anspruch genommen werden. Angesichts völlig verfehlter Umschlagsprognosen für den Hamburger Hafen und skandalös niedrigen Flächen-Pachten von unter 4 €/ qm und Jahr im Hafendurchschnitt bezweifeln die Umweltverbände, ob überhaupt ein legitimer Bedarf vorliegt. Zudem bemängeln die Umweltverbände kaum ausgeschöpfte Potentiale innerhalb der bestehenden Grenzen des Hafens. Aus Sicht von BUND und NABU ist es überfällig, dass Flächenpotentiale innerhalb des Hafens identifiziert und besser genutzt werden, bevor weitere, aus Naturschutzsicht wertvolle Flächen in Anspruch genommen werden. 

Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg: „Bis heute bleibt die HPA der Öffentlichkeit schuldig, die von ihr reklamierte Nachfrage aus der Logistikbranche aktuell zu belegen und Alternativflächen außerhalb des Vollhöfener Waldes auf ihre Eignung zu prüfen.“

„Jeder von uns freut sich jetzt auf den Frühling und sehnt sich nach mehr Grün. Es ist daher tragisch, dass immer mehr Bäume aus dem Straßenbild verschwinden. Insbesondere von alten Straßenbäumen profitieren die Stadtnatur und ihre Bewohner einschließlich wir Menschen“, erklärt Eike Schilling, Koordinator Praktischer Naturschutz beim NABU Hamburg. „Für ihren Erhalt muss daher viel mehr getan werden.“

Mit der ersatzlosen Fällung von Straßenbäumen fehlen wichtige ausgleichende Funktionen, die Bäume in der Stadt übernehmen wie zum Beispiel Lärmschutz und Luftverbesserung. Ersatzpflanzungen an Straßenzügen reichen nicht aus, um den Verlust 1:1 auszugleichen. Der NABU fordert, dass der Wert von alten Baumbeständen erkannt wird und entsprechend bei der Straßengestaltung erhaltend integriert wird.


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