Filmteam „Rote Rosen“ ruft Polizei: freie Berichterstattung unerwünscht?

Schauspieler Jan Stapelfeldt spielt in "Rote Rosen" Julius Böttcher. Ein Crew-Mitglied schlägt kurz vor dem Dreh die Filmklappe. Das Foto rechts zeigt einen Streifenwagen der Polizei Lüneburg. Eine Polizistin und ein Polizist wurden ans Filmset gerufen, weil sich die Filmcrew von einem Journalisten gestört fühlte. Fotos: ha

(ds). In der Innenstadt von Lüneburg wird am historischen Kran und der berühmten Lünetorstraßenbrücke gedreht. Das Filmteam von „Rote Rosen“ (ARD) macht dort Aufnahmen – Touristen und Passanten bleiben stehen und beobachten das Treiben. Immerhin ist es interessant, die Schauspieler einmal live zu erleben. Damit das Filmteam unter sich ist und in Ruhe drehen kann, stehen ums Filmset herum so genannte Film-Blocker. Das sind Personen in gelben Westen, die dafür sorgen, dass Passanten nicht zu nah ans Filmset kommen und den Ablauf stören oder Schauspieler laufend nach Selfies fragen. Auch bitten sie Passanten darum, sich von bestimmten Plätzen zu entfernen, wenn sie „im Bild“ sind. Ansonsten duldet die Filmcrew Schaulustige, die die Filmarbeiten aus der Entfernung beobachten. Doch einen Mann haben die Filmschaffenden ganz besonders im Auge: einen Journalisten und Pressefotografen. Er ist bereits seit einigen Wochen dem „Rote Rosen“-Team auf der Spur und macht seine Drehbeobachtungen. Doch das ist offenbar unerwünscht!

„Ich hab das Drehteam im Kurpark, rund um die Michaeliskirche, dem Marktplatz und Am Fischmarkt ausfindig gemacht. Mehrfach wurde ich von der Filmcrew gebeten, keine Fotos zu machen“, sagt der Journalist und ergänzt: „Wenn das Team im öffentlichen Raum dreht, muss es damit rechnen, dass Leute wie ich auf die Filmarbeiten aufmerksam werden und darüber berichten.“

Schauspieler Remo Schulze als
Jorik Eilers kurz vor den
Filmarbeiten am Stintfang.

Am Dienstag, dem 20. Februar 2024, reicht es der Filmcrew: sie ruft die Polizei. Die Streifenwagenbesatzung hört sich das Problem seitens der Filmproduktion an, befragt auch den Journalisten. Der Vorwurf: Er soll gelegentlich „im Bild“ sein und die Schauspieler fühlen sich gestört, wenn jemand mit einer professionellen Kamera am Rande der Filmarbeiten steht und Fotos macht.

Die Polizisten sehen es genauso wie der Journalist: im öffentlichen Raum muss die Filmcrew es dulden, bei der Arbeit fotografisch festgehalten zu werden. Allerdings solle er sich gegenüber der Filmcrew kooperativ zeigen.

Der Journalist sagt ganz klar, dass er jeder Aufforderung nachgekommen sei, wenn es hieß, er sei „im Bild“. Er habe den Verdacht, dass die Filmcrew Gründe sucht, um den Berichterstatter los zu werden. „Ich sei im Blickfeld der Schauspieler, sie können sich nicht konzentrieren, wenn ich mit meiner Kamera stehe – das allein ist ein Witz. Professionelle Schauspieler sind es doch gewohnt, vor einer Kamera zu stehen. Wo soll jetzt der Unterschied zu meiner Fotokamera sein?“, empört sich der Journalist. Der Medienvertreter fühlt sich diskriminiert. „Wenn Passanten beispielsweise auf der Lünetorstraßenbrücke stehen und geduldet werden, sprechen sie nur mich gezielt an und behaupten, ich würde ihre Dreharbeiten stören, weil ich Fotos mache. Das ist genauso, als würde da ein verkleideter Zirkusclown auf der Brücke stehen. Sagt das Filmteam dann auch, der Clown stört die Schauspieler bei ihrer Arbeit?

Entweder schickt die Filmcrew alle Passanten von einem bestimmten Platz weg – oder keinen. Sie kann aber nicht einzelne, für sie unerwünschte Personen wegschicken.

Was sagt die Studio Hamburg Serienwerft GmbH, die im Auftrag der ARD die Folgen produziert, zu dem Vorfall? Unsere Fragen sind bis jetzt unbeantwortet. Rechtlich ist der Sachverhalt klar: Bei einem Filmdeh handelt es sich um Zeitgeschichte. Journalisten dürfen über dieses Ereignis berichten. Wenn eine Filmcrew nicht möchte, dass geheime Dinge vielleicht schon im Vorwege über Medien (Zeitung, Magazine, Online) veröffentlicht werden, muss die TV-Produktion Sichtschutzwände aufstellen, in einem Filmstudio drehen oder eine komplette Straßensperre beantragen.

Dies hat die „Rote Rosen“-Produktion nicht gemacht. Das „Rote Rosen“-Team darf immer nur für wenige Minuten eine Straße sperren und Rad- und Autofahrer sowie Fußgänger stoppen – für eine kurze Dauer. „Der Eingriff in die öffentliche Fläche soll bei allen Sondernutzungen immer so gering, wie möglich erfolgen“, erklärt ein Sprecher der Stadt Lüneburg.

„Eine komplette Straßensperrung wäre rechtlich umsetzbar und würde durch die Untere Straßenbehörde erteilt werden können. Dies wäre dann vergleichbar mit der Sperrung einer Straße für Bauarbeiten“, heißt es von der Stadt Lüneburg. Straßensperrungen für Filmaufnahmen wären demnach in Vergangenheit bereits genehmigt, allerdings mit vielen Auflagen, Bedingungen und zeitlicher Vorplanung. Ist das ein Grund dafür, warum „Rote Rosen“ am 20. Februar keine komplette Straßensperre beantragt hat? Dann jedenfalls hätte sie eine rechtliche Handhabe, wirklich jeden vom Filmset zu vetreiben – auch unerwünschte Journalisten.

Schauspieler Yunus Cumartpay als
Moran „Mo“ Kilic (links) und Jan
Stapelfeldt als Julius Böttcher bei Dreharbeiten am 20. Februar 2024.

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