(ds). „So was hab ich auch noch nicht erlebt“, sagt Erika M. (Name geändert). Die 68-jährige Rentnerin aus dem Stadtteil Hamm war kürzlich in einem Discounter bei ihr um die Ecke. „Ich kaufe da seit etwa zehn Jahren ein. Nachdem ich alle meinen Besorgungen erledigt habe, blättere ich noch regelmäßig am Zeitschriftenregal herum und überlege mir dann, ob ich eine aktuelle Programmzeitschrift kaufe“, erzählt sie. Nachdem sie mehrere Zeitschriften in die Hand genommen und deren Inhaltsangaben studiert habe, sei ein Sicherheitsmitarbeiter zu ihr gekommen und habe in einem sehr unfreundlichen, wichtigen Ton zu ihr gesagt: „Die Zeitschriften sind nicht zum Lesen, sondern zum Kaufen da!“ Es folgte ein böser Blick, wie sie beschreibt. Erika M. war so erschrocken und sauer zugleich, dass sie die Zeitschrift sofort wieder zurück ins Regal legte und sogar ihren Einkauf aus Wut im Laden ließ. Sie ging nach Hause, informierte ihren Sohn und bat ihn darum, E-Mail-Kontakt zur Zentrale des Discounters aufzunehmen. In einem Dreizeiler beschrieb ihr Sohn den Vorfall – nur einen Tag später folgte auch tatsächlich die Antwort. „Wir bitten Sie hiermit um Entschuldigung. So etwas hätte nicht passieren dürfen, zumal es kein Mitarbeiter unserer Filiale war, sondern ein Mitarbeiter eines externen Sicherheitsunternehmens. Wir achten stets auf Kundenfreundlichkeit und hoffen, dass Sie uns diesen Vorfall verzeihen. Bitte kommen Sie in den nächsten Tagen wieder zur Filiale und sprechen einen Mitarbeiter an. Wir werden uns mit einer kleinen Aufmerksamkeit bei Ihnen entschuldigen und hoffen, dass Sie auch künftig wieder bei uns einkaufen.“
Ob in Supermärkten, Discountern oder Buchläden: Viele Kunden blättern in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Einige von ihnen machen keine Anstalten, den Lesestoff hinterher auch zu kaufen. Einige möchten sich nur einen schnellen Überblick über Neuigkeiten aus der Rubrik „Klatsch und Tratsch“ informieren – und legen dann die Zeitung / Zeitschrift wieder zurück. Es gibt sogar Ladenbesitzer, die Schilder mit der Aufschrift „Das Durchblättern der Zeitschriften verpflichtet zum Kauf“ anbringen. Rechtlich verpflichtet das Durchblättern allerdings zu gar nichts. Jeder Kunde kann sich im Geschäft die dort angebotenen Waren ansehen. Sogar Verpackungen dürfte er öffnen, um sich vom Produkt ein besseres Bild zu machen. Es verpflichtet noch lange nicht zum Kauf. Bezahlen muss er nur, wenn er die Ware so beschädigt, dass der Händler sie nicht mehr verkaufen kann. Am Zeitungsregal bedeutet das: Nur weil ein potentieller Kunde eine Zeitung / Zeitschrift in die Hand nimmt und beispielsweise das Impressum durchliest, wird das Presseprodukt nicht durch das Lesen allein entwertet. Erst wenn der Leser Eselsohren verursacht, darf der Händler ihn zur Kasse bitten. Auch wenn er beispielsweise ganze Seiten heraus reißt. Wer jetzt aber stundenlang in einem Geschäft eine Zeitschrift nach der anderen durchliest, wird Probleme bekommen. Es handelt sich nämlich um urheberrechtlich geschütztes Material. Und genau das wird mittels der Zeitung / Zeitschrift verkauft. Außerdem muss kein Ladenbesitzer die Lektüre unbegrenzt dulden. Schließlich hat er immer noch das Hausrecht in seinem Geschäft und kann so etwas unterbinden. Wenn eine nette Aufforderung sogar fruchtlos bleibt, kann er sogar den Leser jederzeit aus dem Laden verweisen.
Bezeichnend in dem Fall von Erika M. ist offenbar schlecht geschultes Personal aus der Sicherheitsbranche. Selbst der Chef des zweitgrößten deutschen Sicherheitsunternehmens, Friedrich Kötter, kritisiert gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) die sogenannten schwarzen Schafe in der Security-Branche und fordert schärfere staatliche Kontrollen. Die Zugangsvoraussetzungen seien ein „schlechter Witz“, sagte er. Bei einfachen Tätigkeiten reichten ein Sitzschein für 40 Stunden Unterricht bei der IHK ohne Prüfung und ein polizeiliches Führungszeugnis nach Aktenlage – schon könne man als Sicherheitsmann anfangen. Die Folge sei, dass sich viele unseriöse Subunternehmer mit ungenügend geschulten Kräften am Markt tummelten, die bestenfalls den Mindestlohn erhielten. Die Zeitung „taz“ berichtete im Mai 2017 über einen Fall in einer Flüchtlingsunterkunft. Dort hätte ein Sicherheitsmitarbeiter Bewohner angeschrien, nur weil sie noch Essen in der Hand hielten beim Verlassen der Kantine. Friedrich Kötter meint: „Ungefähr die Hälfte der Anbieter unserer Branche müsste man sich mal näher anschauen.“
Bei privaten Sicherheitsdiensten arbeiten in Deutschland etwa 270.000 Beschäftigte. Friedrich Kötter ist auch Vizepräsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Natürlich kann nicht jeder Mitarbeiter über einen Kamm geschoren werden und es gibt auch freundliche, kompetente Mitarbeiter. Im obigen Fall ist Erika M. wohl nicht gerade an so einen geraten. Es war“unfreundliches und wichtigtuendes Sicherheitspersonal“, sagt sie.
Prepaid-Karten: wer nicht auflädt wird gekündigt
(mr). Einige haben neben einem Smartphone ein Zweithandy, um es als Notfall-Telefon zu benutzen. In diesem Zweit-Handy sind meistens Prepaid-Karten. Im Prinzip eine tolle Aktion: es fallen keine monatlichen Gebühren an – ein Vorteil für den Kunden. Eine Prepaid-Karte hat aber auch Vorteile für das Telekommunikationsunternehmen, weil bei Benutzung oft Prepaid-Tarif genutzt werden, die preislich sehr hoch liegen. Schwer nachzuvollziehen: Aber auch im Jahr 2018 gibt es Menschen, die schlicht kein Smartphone brauchen. Denen reicht es einfach, unterwegs erreichbar sein zu können und stets die Möglichkeit für wichtige Anrufe zu haben. Handy in der Hand, Prepaid-Karte einstecken, Karte einmalig aufladen – fertig. Bei Prepaid-Karten gibt es weder Vertragsbindung noch Mindestumsatz – ideal für alle, die das Mobiltelefon nur selten aktiv nutzen. Doch genau solchen Kunden sind die Telekommunikationsunternehmen ein Dorn im Auge. Nicht selten folgt das böse Erwachen: Wenn der Kunde nicht regelmäßig sein Guthaben auflädt, wird ihm gekündigt und er verliert seine Nummer. Das zeigt das Vorgehen der Deutschen Telekom.
Auch Engin P. (Name von der Redaktion geändert) ist verärgert. Der Hamburger ist seit 2000 Kunde und besitzt eine „XTRA-Karte“. Er benutzt die Karte regelmäßig und telefoniert sogar öfter mit dieser Nummer. Aber er wird auch regelmäßig angerufen und erhält bei jedem Anruf, der 15 Minuten dauert, einen Betrag in Höhe von 0,50 Euro Guthaben von der Telekom auf seine Prepaid-Karte gut geschrieben. Es hat sich ein Guthaben von 55,67 Euro angesammelt. Kürzlich wird seitens der Telekom der Vertrag gekündigt.
In einem Kündigungsschreiben heißt es: “(…) wenn eine Xtra Card längere Zeit nicht aufgeladen wird, sieht es für uns so aus, als ob ein Kunde sie nicht mehr nutzen möchte.” Engin P. nutzt seine Karte aber regelmäßig und ist der Meinung, dass es doch keine Rolle spielt, ob er nun selbst Personen anruft oder sich anrufen lässt. Es kann nicht die Rede davon sein, dass die Karte nicht benutzt wird oder er sie künftig nicht benutzen wird. „Mit der Xtra Card wollen wir Kunden bei der mobilen Kommunikation auf der ganzen Welt und ohne jegliche Vertragsbindung unterstützen. Dabei erhalten die Kunden eine Mobilfunk-Rufnummer auf Lebenszeit. Qualitativ hochwertige Produkte und die Zufriedenheit der Kunden stehen für uns immer im Vordergrund“, sagt Dirk Becker, Sprecher der Deutschen Telekom mit Hauptsitz in Bonn.
In einem Werbespot der Telekom für eine XTRA Karte heißt es: „Ihre Prepaid Vorteile ohne Vertragsbindung kein Mindestumsatz volle Kostenkontrolle“. Wenn nun allerdings so ein Schreiben ins Haus eines Kunden flattert, ist es doch alles andere als kein Mindestumsatz. „Ich bin wirklich enttäuscht. Ich habe sogar bei der Telekom angerufen und persönlich nachgefragt“, sagt Engin P. und ergänzt: eine Mitarbeiterin sagte mir, dass sie da leider nichts machen können. Ich müsste binnen einer gesetzten Frist meine Karte aufladen, sonst wird der Vertrag gekündigt“. Bei über 50 Euro Guthaben, so Engin P., sehe er es nicht ein, das Guthaben nochmals zu erhöhen.
„Wir kaufen jede Mobilfunk-Rufnummer bei der Bundesnetzagentur ein und betreiben die Mobilfunkkarten leider nicht kostenneutral im Netz. Von daher ist eine Xtra Karte so konzipiert, dass einmal im Jahr, unabhängig von vorhandenem Guthaben, eine Aufladung vertraglich festgelegt ist. Dabei reichen fünf Euro via App oder Telekom-Shop“, teilt Dirk Becker weiter mit. „Stellen wir über unser Abrechnungssystem fest, dass ein Kunde über einen längeren Zeitraum seine Xtra Card nicht aufgeladen hat, informieren wir diesen rechtzeitig und in schriftlicher Form. Nur wenn sich unser Kunde nicht meldet oder auflädt, beenden wir das Vertragsverhältnis und aktivieren die Rufnummer nach einem gewissen Zeitraum für einen neuen Kunden.“