(mr). Es gibt Urteile, die einen dazu bringen, stundenlang mit dem Kopf zu schütteln. Da fährt ein junger Mann am 24. August 2016 in angetrunkenem Zustand und viel zu schnell auf der Billstraße in Hamburg-Rothenburgsort und verursacht einen schweren Unfall mit zwei Toten. Die Richterin verurteilt ihn zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Führerscheinsperre von zwei Jahren.
Wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Trunkenheit im Verkehr ist im Oktober 2017 ein 35-Jähriger vom Amtsgericht Freudenstadt zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und der Zahlung von 1.000 Euro an die Diakonische Suchtberatung verurteilt worden. Grund: er hatte an einer Bushaltestelle eine Person mit einem Messer verletzt.
Das Bonner Jugendschwurgericht hat eine 18-Jährige zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt. Sie hatte ihren Vater im Streit lebensgefährlich verletzt.
Drei Beispiele von Urteilen, die wohl die meisten „normal denkenden Menschen“ nicht nachvollziehen können. Wenn andere Personen schwer verletzt oder gar getötet werden, wie können dann Freiheitsstrafen mit Bewährung verhängt werden? Für Nichtjuristen ist das wohl nicht zu verstehen.
Jetzt ein Urteil vor dem Amtsgericht in Hamburg: der in Bielefeld lebende Rentner Ernst-Wilhelm W. (70, Spitzname „Ernie“) muss für neun Monate ins Gefängnis. Wer jetzt aber glaubt, dass er einen schweren Raub begangen, sich eine wüste Schlägerei oder einen Messerangriff geleistet hat, irrt. Er hat sich auch nicht mit anderen Personen zusammen gerottet und dann Frauen begrapscht oder gar vergewaltigt. „Ernie“ zeigt sich gerne nackt. Er radelt nackt bei den Cyclassics, spaziert auch gerne mal über die Reeperbahn, flitzt öfter ohne alles auf das Spielfeld eines Bundesligaspiels. Auch beim Christopher-Street-Day (CSD) im vergangenen Jahr lief der Rentner splitterfasernackt (mit Ausnahme von Schuhen, Strümpfen und einer Kappe) durch die Lange Reihe. Am 22. Juni 2017 feierte eine Wuppertaler Schulklasse in der Jugendherberge Stintfang (Neustadt) das Ende ihrer Klassenfahrt. In ihrer Mitte eines Raumes stand ein Stuhl. Dort konnte sich ein jeder, der mochte, darauf setzen und antanzen lassen. Auch „Ernie“ wurde von Lehrkräften zum Mittanzen aufgefordert. Der 70-Jährige setzte sich auf den Stuhl und zog blank. Von Kopf bis Fuß zog er sich aus, danach war die Party vorbei. Wie es in der Anklage heißt, seien Mädchen kreischend aus dem Saal gestürmt. Einer Schülerin, so die Staatsanwaltschaft, habe der bizarre Auftritt allerdings so „angewidert“, dass sie einen Weinkrampf bekommen habe. „Das Mädchen wirkte deutlich verstört“, sagte ein Polizeibeamter, der als Zeuge im Gericht war. Seit etwa 30 Jahren ziehe Ernst-Wilhelm W. öffentlich blank: 1997 beim Weltkongress der Soziologen in Köln, 2005 lief er nackt über die Spielfläche im Dortmunder Westfalenstadion, er arbeitete als nackter Bodybuilder. In seiner Heimatstadt Bielefeld fährt er oft unbekleidet Fahrrad – auch im Gerichtssaal zog er während einer Urteilsverkündung die Klamotten aus. Nach eigenen Angaben habe er zehn Jahre im Gefängnis verbracht. „Ernie“ brauche die Aufmerksamkeit und verstehe sich als lebendes Kunstwerk. Gutachter haben dem 70-Jährigen bereits eine schwere Persönlichkeitsstörung attestiert. Der Grund für seine Zeigefreudigkeit: vor 35 Jahren war er als Akt-Modell an Fachhochschule Bielefeld für Fotografie, Malerei und Bildhauerei. Für 1,5 Stunden habe er 15 D-Mark bekommen, damals. „Nach der Sitzung bin ich einmal nackt über durch die Schule gelaufen – dann klickten die Kameras“, sagte „Ernie“ nach der Urteilsverkündung gegenüber Journalisten. 27 Mal stand „Ernie“ bereits vor Gericht, insgesamt seien 27 Eintragungen in seiner Akte verzeichnet. Der Rentner sei enttäuscht von dem Urteil, immerhin sei er gerade in Hamburg gerne nackt herum gelaufen und seine Erfahrung sei die, dass er von 1.000 Mal, wo er sich nackt ausziehe, einmal eine Anzeige komme.
Die Richterin hatte kein Verständnis und argumentierte in ihrem Urteil: „Sie können Ihre Freiheit nicht auf Kosten anderer ausleben. Die wenigsten Menschen empfinden es als Kunst, die Klamotten abzulegen.“ Sie glaube zwar nicht, dass er eine Gefahr für die Gesellschaft ist, aber dennoch müsse das „sich nackt ausziehen“ in der Öffentlichkeit ein Ende haben. Warum die Richterin hier ein vergleichbar hartes Urteil fällte, ist mit dem Vorstrafenregister von „Ernie“ zu begründen. In das Urteil floss auch der Straftatbestand „Erschleichung von Leistungen“ (er fuhr mehrfach schwarz). Dennoch kann das Urteil kritisiert werden: gerade in der heutigen Zeit, wo fast täglich nackte Personen auf Werbeplakaten zu sehen sind, in Fernsehshows wie „Naked Attraction“ (RTL 2) Genitalien begutachtet werden und auch im Internet Tausende nicht jugendfreie Filme frei zugänglich sind…
Urteile gegen Männer, die sich nackt in der Öffentlichkeit zeigten: nackt zu joggen beispielsweise verstößt gegen die „ungeschriebene Gemeinschaftsordnung verankerte Toleranzgrenze“. Das hat der zweite Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe (2 Ss 73/04 vom 29.6.2004) entschieden.
Strafrechtlich verboten ist die öffentliche Nacktheit (ohne sexuellen Bezug!) nicht. Allerdings kann durch den § 118 OWiG ein Bußgeld blühen. Wer eine „Nacktradel-Aktion“ beantragt (wie es beispielsweise alljährlich in London veranstaltet wird) kann eine Ablehnung erhalten. Im Jahr 2005 gab das Landratsamt Rastatt keine Genehmigung. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe bestätigte das Verbot (Az.: 6 K 1058/05 vom 7.6.2005).
Dass es auch andere Urteile gegen Männer gibt, die sich nackt in der Öffentlichkeit gezeigt haben, zeigt unter anderem dieses Beispiel: Ein Ehepaar radelte an einem Sommertag unbekleidet durch Kamenz. Es folgte ein Bußgeldbescheid wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ über jeweils 30 Euro. Das Ehepaar legte Einspruch ein, der Fall landete deshalb vor Gericht: Zahlen müssen beide am Ende nicht. Verfahren wurde eingestellt.
Beim CSD war offenbar keines der Mädchen oder Frauen „angewidert“ oder schockiert. Im Gegenteil: einige junge Frauen nahmen es zum Anlass, sich mit dem nackten „Ernie“ fotografieren zu lassen.
John Neumeier bis 2023 Intendant des Hamburg Ballet
(np/ha). Er führte das über die Stadtgrenze bekannte Hamburg Ballett zu Weltruhm und hatte ursprünglich vor, im kommenden Jahr im Alter von 80 Jahren die Leitung abgeben: Choreografen-Weltstar John Neumeier. Aber daraus wird nun nichts. Neumeier bleibt Chef der Compagnie mit Hauptsitz in der Caspar-Voght-Straße 54 im Stadtteil Hamm. Der Aufsichtsrat der Hamburgischen Staatsoper hat mit Zustimmung der zuständigen Kommission des Senates den 2019 auslaufenden Vertrag mit John Neumeier (Foto links) als Ballettintendant und Chefchoreograf des Hamburg Ballett bis 2023 verlängert. Hamburgs Ehrenbürger ist seit 1973 Ballettdirektor und Chefchoreograf des Hamburg Ballett und seit 1996 auch als Ballettintendant an der Staatsoper in Hamburg tätig. Mit der Vertragsverlängerung wird die Erfolgsgeschichte des Hamburg Ballett fortgeschrieben und weiter ausgebaut.
Unter der Leitung von John Neumeier hat sich das Hamburg Ballett zu einer der wichtigsten Kulturinstitutionen mit internationalem Rang entwickelt. So hat Neumeier mit seiner Compagnie gerade erst auf einer großen Japan-Tournee das Publikum begeistert und letzte Woche auf der historischen Bühne des Bolschoi-Theaters in Moskau sein neues Ballett „Anna Karenina“ präsentiert, das als Koproduktion im Juli 2017 an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt wurde. Die kreative Energie John Neumeiers und seiner Compagnie kann mit der Vertragsverlängerung weiterhin in der Stadt und als Kulturbotschafterin für Hamburg wirken. Zur weiteren Profilierung des Balletts wird die Compagnie bereits ab der Spielzeit 2018/19 um drei neue Tänzerstellen aufgestockt. Daneben wird die Stadt die Sicherung der Zukunft des Bundesjugendballetts sowie die dauerhafte Erhaltung der Sammlung und Stiftung John Neumeier, einer der größten privaten Ballettsammlungen der Welt, weiter verfolgen.
„John Neumeier und seine Compagnie ziehen mit ungebremster Kraft und Kreativität das Publikum in ihren Bann und sind in der ganzen Welt herausragende Botschafter der Kulturstadt Hamburg. Der nachhaltige Erfolg des Hamburg Ballett unter John Neumeier in Hamburg und seine internationale Strahlkraft beeindrucken immer wieder aufs Neue und sind ein guter Grund, die Erfolgsgeschichte Hamburg Ballett weiterzuschreiben“, sagt Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien und ergänzt: „Mit dieser Entscheidung wird John Neumeier ein halbes Jahrhundert lang an der Spitze des Hamburg Ballett stehen – das ist eine wahrhaft herausragende Leistung und eine künstlerisch einzigartige Ära.“
Ballettintendant John Neumeier freut sich: „Auch nach 45 Jahren an der Spitze des Hamburg Ballett sehe ich diese Position als außerordentlich faszinierende Lebensaufgabe an: für mich als Künstler und Choreograf, als Ballettintendant und nicht zuletzt als Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg. Meine geistige und physische Gesundheit erlaubt es mir, die Zukunft aktiv zu planen. Mit meiner Entscheidung, die Intendanz des Hamburg Ballett um vier weitere Jahre fortzuführen, löse ich vielfältige Erwartungen ein, auch von unseren renommierten Gastspielpartnern in Tokio, Moskau und Wien. Das Hamburg Ballett setzt zuallererst Impulse für das Kulturleben seiner künstlerischen Heimat Hamburg. Daneben hat es sich unter meiner Leitung zu einer festen Größe in der internationalen Ballettszene entwickelt. Diese ehrenvolle Aufgabe gemeinsam mit Lloyd Riggins als Stellvertretendem Ballettdirektor bis 2023 fortzuführen, bedeutet mir sehr viel.“
John Neumeier übernahm 1973 die Leitung des Hamburg Ballett und ist damit der dienstälteste Ballettdirektor der Welt. Er ist Träger zahlreicher Ehrungen und Auszeichnungen, unter anderem ist er seit 2007 Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg. Im Repertoire des Hamburg Ballett befinden sich alle 158 Choreografien von John Neumeier, zusammen mit seiner Compagnie war er bislang bei mehr als 1.000 Vorstellungen auf 331 Gastspielen in 30 Ländern auf fünf Kontinenten zu erleben.
Immer mehr Pädophile suchen übers Internet Kontakt zu Opfern
(mr). Es fing ganz harmlos an. Die 13-jährige Bianca lernte vor einiger Zeit in einem Chatroom einen Mann kennen. Dieser gab sich als Fotograf aus und versprach der Schülerin eine Model-Karriere. Er lockte sie zu sich nach Hause. Dort zwang er das Mädchen, Badebekleidung anzuziehen. Die Mutter ahnte von alledem nichts. Chat, Internet, Computertechnik – Fremdwörter für die Mutter. Dass im Internet auch Sex-Kontakte zustandekommen können, ist der Frau nicht bewusst. So kommen mehrere Treffen mit Tochter Bianca und dem Fotografen zustande. In erster Linie geht es ihm aber nicht um Fotos, die er auf einschlägigen Internetseiten veröffentlicht. Er will Sex. Sex mit einer Minderjährigen. Bianca ist damit einverstanden. Die zahlreichen Geschenke, die sie von dem 38-jährigen Fotografen bekommt, schätzt sie sehr.
Die ganze Geschichte behält Bianca für sich. Weder Freundinnen noch Eltern erzählt sie etwas von den Treffen. Doch in der Schule verplappert sie sich eines Tages. Ein Lehrer bekommt von dem Vorfall alles mit. Der Pädagoge zögert nicht und schaltet die Polizei ein. Zum vereinbarten Treffpunkt kommt beim nächsten Treffen nicht Bianca, sondern die Polizei. Festnahme. Für die Ermittler ist dies kein Einzelfall: Immer öfter suchen Pädophile über das Internet Kontakt zu ihren Opfern – nicht immer sind es junge Mädchen. Auch auf Knaben haben es Pädophile abgesehen. Gerade im Zeitalter von Webcam und Fotohandy werden Kinder dazu animiert, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen, diese zu filmen und an die Pädophilen zu versenden.
Wenden Sie sich unbedingt an Ihre Polizeistation, wenn:
- Ihr Kind mit pornografischem Material (auch Kinderpornografie) belästigt wird (meist per E-Mail)
- Ihr Kind im Chat zu sexuellen Handlungen an sich selbst aufgefordert wird
- Ihr Kind verbal sexuell belästigt wird („hast du schon Schamhaare“)
- Ihrem Kind für sexuelle Handlungen (an sich selbst oder einer anderen Person) Geld angeboten wird.
- Kopieren Sie alle E-Mails sowie den Dialog im Chatraum (CD-Rom, Diskette). Verzeichnen Sie Datum, Uhrzeit, Anbieter, Chatraum und die Internetadresse des Täters (unbedingt auch den Nicknamen!) und schildern Sie kurz den Sachverhalt. Geben sie die Unterlagen in ihrer Polizeistation ab und lassen sie Ihre Kinder möglichst nie allein chatten.
Verwirrter Eindruck? Polizeiprotokoll gibt Rätsel auf
Plöner Polizist beleidigt Opfer von Gewalttat
(ft). Frank F. (Name ist der Redaktion bekannt) aus dem Norden Schleswig-Holsteins fährt mit seinem Auto aus Lübeck kommend auf der Bundesstraße 76 nach Hause. In Höhe des Plöner Ortsteils Fegetasche macht er auf einem Rastparkplatz eine kurze Pause. Es ist nachts, kurz nach halb zwei. Der junge Mann schließt seinen PKW ab, unternimmt einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft. Minuten später kommen Jugendliche angelaufen. Einer der Jugendlichen schlägt Frank F. ins Gesicht. Er erlitt eine leichte Wunde im Gesicht.
Die Jugendlichen sagen nichts, klauen nichts. Frank F. setzt sich in sein Auto, fährt in die nächst beste, beleuchtete Seitenstraße und muss das erlebte verdauen. Frank F. greift zum Handy, wählt 110. Unglaublich: Es geht niemand ran! Frank F. beschließt direkt zur Dienststelle zu fahren. Doch dies ist nicht nötig: Ein ziviles Streifenfahrzeug hält den jungen Mann an. Gemeinsam fahren sie zurück zum Ort des Geschehens. Über Funk wird ein weiterer Streifenwagen angefordert. Die Jugendlichen werden dort angetroffen und vor Ort vernommen, das Opfer befragt. Nach wenigen Minuten ist alles vorbei. Eine Woche später bekommt Frank F. eine Vorladung, muss zur örtlichen Polizei und Ergänzungen zu Protokoll geben. Der Beamte liest den bisher erfassten Teil laut vor. Dort heißt es (vom Plöner Kollegen geschrieben) sinngemäß: „Das Opfer machte eine verwirrten Eindruck.“
Fassungslos nimmt Frank F. das Wort „verwirrt“ zur Kenntnis, schreibt eine schriftliche Beschwerde über diese Beleidigung. Arne Dunka, Polizeioberrat der Polizeiinspektion Plön schreibt dem Opfer: „Die von Ihnen kritisierte Feststellung des Polizeibeamten, Sie hätten einen verwirrten Eindruck gemacht, ist eine rein subjektive, aus Ihrem Verhalten vor Ort (…) abgeleitete Wahrnehmung und beinhaltet keinerlei Wertung.
Anmerkung der Redaktion: Als Synonym für „verwirrt“ gibt es abwesend, desorientiert, fahrig, fassungslos, gedankenlos, geistesabwesend, handlungsunfähig, konfus, kopflos, unkonzentriert, vergesslich, wirr oder beispielsweise zerfahren.
Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob „verwirrt“ eine Wertung und Beleidigung darstellt oder nicht.
Mit Verlaub: Wird von einem Opfer einer Gewaltat verlangt, dass es völlig sachlich, ruhig und gefasst den Polizisten gegenüber tritt? Werden Polizisten heutzutage nicht mehr diesbezüglich geschult? Es müsste doch mehr dazu gehören, als jemanden voreilig und beleidigend im Protokoll als „verwirrt“ zu deklarieren. Der Vorfall ereignete sich im August 2001.