Sind Schutzmaßnahmen für Politiker hochgefahren worden?

Der Dienstwagen von Peter Tschentscher. Während der CSD-Parade 2018 lief Hamburgs Erster Bürgemeister zusammen mit Senatorin Melanie Leonard und der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank eine kurze Strecke zu Fuß. Aus Sicherheitsgründen fuhr seine gepanzerte Limousine nur wenige Meter vor ihm. Foto: Röhe

(mr). In der Vergangenheit gab es schon einige Attacken auf Politiker. Im April 1990 beispielsweise auf Oskar Lafontaine (SPD). Eine geistig verwirrte Frau griff damals den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten auf einer Wahlkampfveranstaltung in Köln mit einem Messer an. Sie verletzt ihn lebensgefährlich. Im Oktober des selben Jahres schießt ein geistig verwirrter Mann bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau auf den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Schäuble ist seitdem querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Auf den damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Walter Mopmer (SPD) wurde im August 1991 mit einem Holzknüppel eingeschlagen. Außerdem sprühten ihm Vermummte Reizgas ins Gesicht. Auf Joschka Fischer (Grüne) wurde im Mai 1999 während einer Debatte auf einem Sonderparteitag der Grünen in Bielefeld ein Farbbeutel-Anschlag verübt. Der damalige Bundesaußenminister wurde am Ohr getroffen und erlitt einen Trommelfellriss. Politikerin Angelika Beer (Grüne) wurde von einem Unbekannten im Juni 2000 in Berlin mit einem Messer angegriffen und verletzt. Sie hatte zuvor mehrere Morddrohungen erhalten.

Auch Hamburger Politiker Ziel von Messer-Attacke

Auch in Hamburg kam es schon zu übergriffen auf Politiker: Eine geistig verwirrte Frau verletzte den damaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch (CDU) bei einem Wahlkampfauftritt im Februar 2004 in der Hansestadt mit einem Messer.

Diese Beispiele von Attentaten rücken die Gefährdung von Politikern in den Fokus. In Deutschland genießen der Bundespräsident, Bundeskanzler, sämtliche Minister des Bundeskabinetts, Parteivorsitzende, Fraktionschefs und alle ehemaligen Amtsträger Personenschutz. Bundespräsidenten und -kanzler bis zum Lebensende. Das zuständige Bundeskriminalamt (BKA) erarbeitet eine so genannte Gefährdungseinschätzung, nach der sich auch die Zahl der Personenschützer richtet. Auch alle 16 Ministerpräsidenten haben einen Rund-um-die-Uhr-Schutz – allerdings ist dafür das jeweilige Landeskriminalamt (LKA) des entsprechenden Bundeslandes zuständig.

Personenschützer haben Schichtdienste im In- und Ausland

Aus Sicherheitsgründen geben sowohl BKA als auch LKA keine genaue Angaben zu den Schützern und den Beschützten. Geschätzt wird, dass sich in Deutschland zwischen 600 und 800 Polizisten allein um die hochrangigen Politiker kümmern. Alleine die Anzahl an Personenschützern von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird aktuell mit 18 bis 24 beziffert. Das sind Personen,  die zum engeren Kreis der persönlichen Bewacher zählen – nicht „normale“ Polizisten, die als Objektbewacher vor den Wohnsitzen der Kanzlerin stehen.

Allerdings sind diese geschätzt 18 bis 24 Personenschützer nicht alle gleichzeitig um sie herum. Es gilt das Beamtenrecht: Sie machen ihre Arbeit im In- und Ausland im Schichtdienst. Es gibt teilweise langjährige persönliche Verbindungen: Beispielweise gab es einen Beschützer des Bundespräsidenten a. D. Johannes Rau, der ihn durch alle Ämter begleitete und in dieser Bewacher-Funktion sein 25- Jähriges Dienstjubiläum feierte.

Vier LKA-Beamte schützen Hamburgs Bürgermeister

Auch Politiker wie Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD, quasi ein Ministerpräsident) werden rund um die Uhr an fast jedem Ort von Personenschützern bewacht. Diese Sorgfalt erstreckt sich streng genommen bis zur Schlafzimmer- oder Toilettentür. In der Regel sind ständig zwei LKA-Beamte in unmittelbarer Umgebung zu Hamburgs Erstem Bürgermeister, bei öffentlichen Auftritten sind es in der Regel vier Personenschützer. Aufmerksame Beobachter allerdings können gerade aktuell feststellen, dass die Schutzmaßnahmen offenbar hochgefahren wurden. Zwei Beispiele: Bei einem Pressetermin auf dem Hamburger Fernsehturm, zudem nur wenige Pressevertreter und eine Handvoll verlesener Besucher (die eine Besichtigung des Tele-Michels gewonnen hatten) oben auf der Aussichtsplattform geladen waren, gab sich auch der Bürgermeister Tschentscher die Ehre. Mit dabei: drei bewaffnete Beamte des LKA, die den Bürgermeister auf Schritt und Tritt verfolgten. Notwendig oder übertriebene Maßnahme? Immerhin kamen dort nur registrierte und vorher namentlich bekannte Personen hoch.

Bei der Christopher Street Parade (CSD-Parade) versammelte sich der Bürgermeister zusammen mit Senatorin Melanie Leonard, der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank, sowie weiteren Politikern und Persönlichkeiten wie Olivia Jones, um den Startschuss der Parade zu geben. Auch hier waren wieder vier LKA-Beamte vor Ort und sicherten den Bürgermeister in alle Richtungen ab. Das war schon bei seinen Amtsvorgängern wie Ole von Beust und Olaf Scholz der Fall. Sie hatten allerdings in der Regel drei, nicht vier Personenschützer um sich herum. Aber eine Auffälligkeit gab es diesmal schon: der Dienstwagen des Ersten Bürgermeisters war nur wenige Meter von ihm entfernt. Um ihm herum mehrere Polizisten, die die CSD-Parade begleiteten.

Warum der Dienstwagen die Strecke mitfuhr, die der Bürgermeister zu Fuß absolvierte, ist nicht bekannt. Bekannt ist allerdings: Vier Personenschützer für den Hamburger Bürgermeister kosten viel Geld – und zwar für den Steuerzahler! Neben Peter Tschentscher werden auch Innensenator Andy Grote und (Anlass bedingt) weitere Senatoren beschützt. In vielen Fällen sind auch Ehefrauen in das Schutzprogramm mit einbezogen. Bezahlt von der Allgemeinheit, dem Steuerzahler.