(ha/mr). Schulsenator Ties Rabe hat die Schuljahresstatistik zum laufenden Schuljahr 2022/23 vorgestellt: „Wir erleben zurzeit einen wirklich historischen Schülerzuwachs: Innerhalb nur eines Schuljahres haben Hamburgs Schulen 7.490 zusätzliche Schülerinnen und Schüler aufgenommen (…). Einen solch massiven Zuwachs hat es seit Beginn der Schuljahresstatistik in den 60er Jahren in Hamburg noch nie gegeben. Ich bin Hamburgs Schulleitungen und Kollegien außerordentlich dankbar, dass die Aufnahme einer so gewaltigen Schülerzahl bislang gut gelungen ist. Allerdings nehmen die Herausforderungen deutlich zu.“
Das gab es noch nie: fast 7.500 Schülerinnen und Schüler haben Hamburgs Schulen innerhalb eines Schuljahres aufgenommen.
Schulsenator Ties Rabe weiter: „Bei den zusätzlichen Schülerinnen und Schülern handelt es sich nicht nur um mehr einheimische Schüler, sondern vor allem um viele Flüchtlinge aus der Ukraine. Das Hamburger Schulsystem ist sehr wohl auf ein deutliches Schülerwachstum eingestellt, aber angesichts einer Vervierfachung des jahresüblichen Zuwachses in nur einem Jahr stößt das Schulsystem langsam an seine Grenzen. Der Zuwachs entspricht etwa 350 zusätzlichen Schulklassen, dafür mussten die Schulen zirka 400 zusätzliche Klassenräume und bis zu 600 zusätzliche Pädagogen bereitstellen. Und das Wachstum geht ungebremst weiter an. Allein in den fünf Monaten nach dem Erhebungszeitpunkt der Schuljahresstatistik im Oktober sind weitere etwa 940 Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund dazugekommen.“
53 % Schulkinder mit Migrationshintergrund
Entsprechend steigt der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund (im Ausland geboren oder mit mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil) auf aktuell 53,0 Prozent in den Klassen 1 bis 10. Gleichfalls steigt auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler, in deren Familien zu Hause überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, auf 31,4 Prozent (Vorjahr 28,8 Prozent). Auch hier macht sich die hohe Anzahl von fluchtbedingt zugezogenen Schülerinnen und Schüler bemerkbar.
Zum Erhebungszeitpunkt im Oktober 2022 besuchten 4.318 Schülerinnen und Schüler mit Flucht- oder direkter Einwanderungsgeschichte eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK) oder Basisklasse an einer allgemeinbildenden Schule, aktuell sind es sogar 5.120. Weitere 1.803 Schülerinnen und Schüler besuchten im Oktober 2022 eine Ausbildungsvorbereitung für Migrantinnen und Migranten (AvM) oder eine Alphabetisierungsklasse an den berufsbildenden Schulen, aktuell sind es sogar 1.940. Insgesamt besuchen Anfang Februar 2023 damit etwa 7.060 Schülerinnen und Schüler mit Flucht- oder direkter Einwanderungsgeschichte eine Sonderklasse, bevor sie in der Regel nach einem Jahr in eine Regelklasse wechseln.
Die Schulbehörde achtet darauf, die Flüchtlingsklassen möglichst gleichmäßig auf die Schulformen zu verteilen: Es gibt Flüchtlingsklassen an 58 Grundschulen, 55 Stadtteilschulen, 51 Gymnasien sowie 3 Sonderschulen (Stand 2.2023). Insgesamt wurden an 167 staatlichen Schulen und einer Privatschule Flüchtlingsklassen eingerichtet. Auch bezogen auf den Sozialindex der Hamburger Schulen ergibt sich eine breite Streuung: 29,3 Prozent an Schulen mit Sozialindex 1-2 (starke soziale Belastung), 41,4 Prozent mit Sozialindex 3-4 (mittleres Segment) und 29,3 Prozent mit Sozialindex 5-6 (wohlhabendere Stadtteile).
Insgesamt besuchen in diesem Schuljahr rund 259.000 Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden und berufsbildenden Hamburger Schulen, das ist trotz eines Rückgangs von rund 1.100 Schülerinnen und Schülern an den berufsbildenden Schulen erneut ein Höchststand. Auf die allgemeinbildenden Schulen entfallen davon 211.194 Schülerinnen und Schüler. Das sind 7.490 (+3,7 Prozent) mehr als im letzten Schuljahr und 26.531 mehr als vor zehn Jahren (+14,3 Prozent). Besonders stark gewachsen sind in diesem Zeitraum die Grundschulen (+ 13.524, +22,9 Prozent). Darüber hinaus besuchen 47.823 Schülerinnen und Schüler die Berufsbildenden Schulen, so dass Hamburgs Schulen aktuell 259.017 Schülerinnen und Schüler verzeichnen. Das besonders starke Wachstum der Grundschulen zeigt sich auch weiterhin bei der Entwicklung der Erstklässler: Vor zehn Jahren waren es noch 15.327 Abc-Schützen, aktuell sind es 19.175, also rund 25 Prozent mehr. Das entspricht 184 zusätzlichen Eingangsklassen – in jedem Schuljahr.
Der insgesamt deutliche Zuwachs der Schülerzahl hat zu einem weiteren Zuwachs beim pädagogischen Personal von 19.133 im Vorjahr auf jetzt 19.788 Vollzeitstellen geführt (+ 655 Vollzeitstellen). Noch deutlicher wird der Anstieg im Vergleich der letzten zehn Jahre. Vor zehn Jahren gab es an den Schulen 16.224 (2012/13) Vollzeitstellen für pädagogische Beschäftigte, heute haben die Schulen 3.564 Stellen mehr (+ 22 Prozent) sowie weitere bis zu 1.800 Stellen mehr bei den Trägern der Ganztagsangebote an den Schulen. Insgesamt stieg die Zahl der Stellen damit um rund 33 Prozent. Gründe dafür sind unter anderem die Verkleinerung der Schulklassen, die bessere Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, der Ausbau der Ganztagsangebote und die erheblich gestiegenen Schülerzahl.
Trotz des erheblichen Anstiegs der Schülerzahl bleibt es bei den 2011 eingeführten kleinen Schulklassen. Davon profitieren vor allem die Grundschulen in schwierigen sozialen Umfeldern mit aktuell durchschnittlich nur 18,2 Schülerinnen und Schülern pro Klasse, sowie 22,1 an allen anderen Grundschulen. An Stadtteilschulen liegt die Klassengröße bei 23,7 und an den Gymnasien 25,7 (jeweils Klassenstufen 5-10). Auf eine Vollzeitstelle für Pädagoginnen und Pädagogen kommen somit rund 12,2 Schülerinnen und Schüler an Grundschulen, 10,6 an Stadtteilschulen, 14,7 an Gymnasien und 3,4 an Sonderschulen.
Nur noch 8,6 % Schüler an Hamburgs Privatschulen
Das Vertrauen in das staatliche Schulsystem in Hamburg wächst weiter. Umgekehrt geht der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die an Privatschulen unterrichtet werden, weiter zurück. Waren es 2013/14 noch 10,6 Prozent, sind es aktuell nur noch 8,6 Prozent. Hier wirkt sich auch weiterhin unter anderem das sukzessive Auslaufen einiger katholischer Schulen aus.
In der Corona-Krise stieg die Zahl der Klassenwiederholungen deutlich von 1.801 (Schuljahr 2020/21) auf 2.854 (Schuljahr 2021/22), um im aktuellen Schuljahr trotz der wachsenden Schülerzahlen wieder leicht auf 2.636 zu sinken. Insbesondere an den Grundschulen und den Stadtteilschulen ist der Wiederholer-Anteil zum Teil merklich gesunken auf 1,0 Prozent (Grundschulen, Vorjahr 1,5 Prozent) sowie auf 1,9 Prozent (Stadtteilschulen, Vorjahr 2,1 Prozent). Die von der Schulbehörde eingeleiteten Corona-Aufholprogramme wie schulische Lernförderung, Lernferien und das Mentoren-Programm „Anschluss“ für Viertklässler haben offenbar zu dem Rückgang beigetragen.
Die Zahl der Schulabgänger mit Mittleren Schulabschluss (MSA) und Erstem Schulabschluss (ESA) ist angestiegen: 3.151 Schülerinnen und Schüler verließen die Schule mit dem „Realschulabschluss“ (+ 98) und 2.801 mit dem „Hauptschulabschluss“ (+ 129). Weitere 9.009 Schülerinnen und Schüler beendeten ihre Schullaufbahn mit dem Abitur und 668 mit dem Fachabitur. Die Abiturquote sank im Vergleich zum Vorjahr von 55,5 Prozent auf 54,0 Prozent. Der Anteil der Schulentlassenen ohne Schulabschluss stieg im gleichen Zeitraum leicht an auf 6,3 Prozent (1.034 Schüler, + 98 gegenüber dem Vorjahr), liegt aber im langjährigen Mittel. Hier wirkt sich die erhöhte Zahl von Schülern mit Fluchthintergrund und die Möglichkeit zur Klassenwiederholung im Vorjahr statistisch aus. Leistungsschwache Schülerinnen und Schüler hatten im Vorjahr die Klassenstufe wiederholt und so einen Schulabgang ohne Schulabschluss um ein Jahr aufgeschoben. Diese Effekte treiben die sogenannte „Abbrecherzahlen“ in diesem Schuljahr etwas nach oben. Etwa 57 Prozent dieser Schulentlassenen ohne Abschluss haben sonderpädagogischen Förderbedarf.
Schulentlassenen ohne Abschluss bietet das Hamburger Schulsystem die Möglichkeit, nach ihrem Schulabgang im Rahmen einer Berufsausbildung oder im Rahmen anderer Bildungsangebote an den Berufsschulen den Schulabschluss nachzuholen. Rund die Hälfte erlangt so im zweiten Anlauf den Schulabschluss, so dass sich die Quote der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss dann noch einmal halbiert.
Der massive Ausbau der Ganztagsangebote an den Schulen wird von Hamburgs Familien auch weiterhin sehr stark genutzt, aktuell nehmen 87,6 Prozent der Grundschülerinnen und -schüler am Ganztag teil (74,5 Prozent in 2014). 47,3 Prozent der Kinder nehmen darüber hinaus an einer Ferienbetreuung teil.
Nach dem Wechsel von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen werden im aktuellen Schuljahr 48,2 Prozent der Fünftklässler an Stadtteilschulen beschult und 51,8 Prozent auf Gymnasien. Das sind nahezu die gleichen Werte wie vor zehn Jahren. Das 2-Säulen-Modell erweist sich als sehr stabil mit zwei Schulformen auf Augenhöhe.
Die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die das Gymnasium zwischen Klasse 5 und 12 verlassen und ihre Schullaufbahn an einer Stadtteilschule fortführen, ist seit einigen Jahren relativ stabil, aktuell bei 1.450, davon 709 nach Jahrgangsstufe 6 (Vorjahr 710). Für die letzten Jahre ist ein positiver Corona-Effekt zu vermuten: Die Lehrkräfte haben aufgrund der Unterrichtsausfälle die Leistungen der Schülerinnen und Schüler am Ende der Klasse 6 an den Gymnasien offensichtlich milder bewertet und weniger häufig als in den Vorjahren schlechte Noten gegeben, so dass mehr Schülerinnen und Schüler als üblich an den Gymnasien bleiben konnten.
Das milliardenschwere Schulausbauprogramm wirkt. Insgesamt sieht der aktuelle Schulentwicklungsplan bis zu 44 Schulneugründungen vor sowie weitere rund 100 Schulen, die erweitert werden. Die Gesamtzahl der staatlichen Schulen hatte sich im Vorjahr bereits um vier Schulen erhöht, da vier neue Schulen zum letzten Schuljahr ihren Schulbetrieb aufgenommen hatten. Im aktuellen Schuljahr stand keine Schulneugründung an. Für das kommende Schuljahr steht der „Campus Kieler Straße“ (Stadtteilschule mit gymnasialem Zweig) in den Startlöchern und hat bereits an der Anmelderunde 5 teilgenommen.