Neue Ideen für Hamburgs geförderten Wohnungsbau

Ein Mehrfamilienhaus in Hamburg wird aktuell saniert, das Dach mit neuen Dachziegeln versehen. Foto: FoTe Press

(ha). Wie kann der geförderte Wohnungsbau der Zukunft aussehen? Mit welchen innovativen Grundrisslösungen kann er auf neue Lebensmodelle, steigende Wohnkosten oder die Auflösung der strikten Trennung von Wohnen und Arbeiten reagieren? Das waren die Themen eines Ideenwettbewerbs der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, bei dem insgesamt 42 Planungsteams zeitgemäße und innovative Grundrisslösungen und Wohnformen entwickelt haben – all dies innerhalb der Flächenvorgaben der Hamburger Wohnraumförderung. Nun hat das Preisgericht jeweils vier erste Preise in den Kategorien Zeilengebäude, Eckgebäude und Punkthochhaus vergeben. Die Ergebnisse des Wettbewerbs sind vom 3. bis 14. Juli 2024 im Jupiter in der Mönckebergstraße in einer Ausstellung zu sehen.

Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen sagt: „Mit dem Ideenwettbewerb haben wir einen Prozess angestoßen, der sich mit dem Anspruch an heutige Sozialwohnungen beschäftigt. Wohnungen sind persönliche Rückzugsorte, gleichzeitig spielen Nachbarschaft und soziales Miteinander heute eine große Rolle. Die Entwürfe des Wettbewerbs zeigen mit ihren innovativen Grundrisslösungen und Wohnformen, wie sich all das in Zukunft vereinbaren lassen könnte – und zwar innerhalb der Flächenobergrenzen der Hamburger Wohnraumförderung. Ich hoffe, dass die Ideen aus dem Wettbewerb auch von den Akteuren auf dem Wohnungsmarkt aufgegriffen werden und die Investoren den Mut zu mehr Innovation im Wohnungsbau haben.“

Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg: „Mit diesem Ideenwettbewerb haben wir uns auf die ambitionierte Suche nach Konzepten für den öffentlich geförderten Wohnungsbau gemacht, die den aktuellen Wohngewohnheiten und -formen gerecht werden. Aus der nun vorliegen Ideensammlung lassen sich ganz verschiedene Themen ablesen: vom Konstruktionsraster, über den Wunsch nach Gemeinschaft und Privatheit, dem Verzicht auf monofunktionale Flächen und sogenannte Plus- oder Universalräume, die nicht klar einer einzelnen Wohnung zugeordnet sind. Dieser Fundus dient uns nun dazu weiterzuarbeiten, Möglichkeiten auszuloten und die Ergebnisse in die Förderbedingungen einfließen zu lassen, um Grundrisse und Wohnungen zu bauen, die auf vielfältige Weise innovativ, baubar, bezahlbar und gut bewohnbar sind.“

Patrick Gmür, Vorsitzender des Preisgerichts: „Wohnkultur und Lebensqualität bedingen sich gegenseitig. Es darf aber nicht sein, dass diese Forderungen zu Lasten des bezahlbaren Wohnens gehen. Die freie Marktwirtschaft folgt anderen Bedingungen als der geförderte Wohnungsbau. Auch deshalb bin ich überzeugt, dass es eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, beim bezahlbaren Wohnungsbau Innovationen einzufordern. Das Verfahren, jeder erste Preis, aber auch jeder Lösungsvorschlag leistet einen Beitrag für die stetige Weiterentwicklung des Wohnungsbaus. Abschließend kann festgestellt werden: Das Innovative an diesem Verfahren ist, dass überhaupt über Innovationen nachgedacht wird. Auch auf diese Weise übernimmt die öffentliche Hand eine wichtige Aufgabe.“

Für die dem Projekt zugrunde liegende Frage „Welche Ideen bestehen für die innovative Gestaltung von Grundrissen im geförderten Wohnungsbau?“ hat die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen im Juni 2023 einen Ideenwettbewerb ausgelobt, in dem aktuelle gesellschaftliche und fachliche Fragen behandelt wurden. Im Zuge des Wettbewerbs sollten die Planungsteams Lösungsvorschläge für Grundrisskonzepte im Rahmen der Flächenvorgaben der Hamburger Wohnraumförderung entwickeln. Auch die Fragen, welche Bedeutung planerische Vorgaben für Grundriss- und Erschließungskonzepte haben und wie die veränderten Lebens- und Arbeitsformen in künftigen Grundrisskonzepte einfließen können, wurden behandelt. Insgesamt 42 Planungsteams, darunter sowohl junge als auch erfahrene Büros, haben am Ideenwettbewerb teilgenommen und ihre jeweiligen Entwürfe vorgestellt.

Für den Wettbewerb wurden drei städtebauliche Typologien als Arbeitsgrundlage für die Teams ausgewählt: ein Punkthochhaus, eine Zeile mit besonders großer Tiefe sowie eine Blockrandbebauung. Die städtebaulichen Vorlagen hierzu liegen in den neuen Stadtentwicklungsgebieten der HafenCity Hamburg GmbH sowie der IBA Hamburg GmbH. Jede Typologie birgt dabei eigene räumliche und soziale Herausforderungen und Potenziale und wurde von jeweils 14 Teams bearbeitet. Den Teams wurde freigestellt, ob sie Clusterwohnungen oder sogenannte Basic-Wohnungen planen und auf welchen Schwerpunkt der Frage sie sich in der Bearbeitung konzentrieren möchten.

Die Preisträger im Überblick

Das Preisgericht unter Vorsitz des Architekten Patrick Gmür hat im Rahmen der Preisgerichtssitzung pro Typologie die folgenden vier ersten Preise vergeben sowie zwei Anerkennungen ausgesprochen:

Kategorie Zeilengebäude1. Preis: EMI Architekt*innen Edelaar Mosayebi Inderbitzin AG ETH SIA BSA (Zürich); 1. Preis: nbg+, neuberger+genze architekten part mbb (Nürnberg); 1. Preis: ROBERTNEUN™ ARCHITEKTEN GMBH (Berlin); 1. Preis: SoerenHoeller Architektur (Hamburg)
Typologie Eckgebäude1. Preis: Hupe Flatau GmbH (Hamburg); 1. Preis: Kirsten Schemel Architekten BDA (Berlin); 1. Preis: Klumpe Architekten (Mannheim); 1. Preis: Lacol (Barcelona) und Joan Membrive Architekt (Zürich); Anerkennung: Heide & von Beckerath (Berlin)
Typologie Punkthochhaus1. Preis: ARGE Studio Romano Tiedje GmbH und Simon Palme (St. Gallen/Berlin); 1. Preis: Lütjens Padmanabhan Architekt*innen (Zürich); 1. Preis: Studio ELE (Köln); 1. Preis: 03 Arch. GmbH (München); Anerkennung: Löser Lott Architekten GmbH (Berlin)

Ableitend aus den Entwürfen der Teams konnten die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und das Büro D&K drost consult GmbH in Abstimmung mit dem Preisgerichtsvorsitzenden sowie der Hamburgischen Architektenkammer erste Fragen und Themen erarbeiten, was Innovation in Grundrissen für den geförderten Wohnungsbau bedeuten kann, etwa:

  • Flexible Gebäude durch Raster – Welches Potenzial für den geförderten Wohnungsbau liegt in der rasterbasierten Konstruktion?
  • Gemeinschaft und Privatheit – Welcher planerischen Voraussetzungen bedarf es für die Entstehung von Gemeinschaft? Welche räumlichen Abstufungen zwischen Gemeinschaft und Privatheit können wir wo ermöglichen? Wo brauchen wir Gemeinschaft, wo Rückzugsmöglichkeiten? Sind Clusterwohnungen ein sinnvoller Ansatz?
  • Weniger monofunktionale Flächen, mehr Universalräume – Sind Wohngrundrisse heute zu stark funktional festgelegt? Brauchen wir stattdessen nutzungsneutrale Universalräume, und wenn ja, welche?
  • Adaptierbarkeit durch Ausbaureserven – Welcher individuellen Ausbaumöglichkeiten bedarf es? Welche Chancen bieten Plusräume (= Zimmer, die nicht klar einer Wohneinheit zugeschrieben werden)?
  • Flächeneffizientes und qualitätsvolles Wohnen – Sollten Wohnungen statt zu wachsen wieder schrumpfen? Wie kann man hohe Wohnqualität bei kleineren, effizienteren Wohnflächen sicherstellen? Welche Rolle spielt die Erschließung dabei?

Die Fragen sowie die Entwürfe des Verfahrens sollen die Diskussion zu zukunftsfähigem gefördertem Wohnen anregen und einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen sowie fachlichen Debatte leisten. Dazu organisiert die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen vom 3. bis 14. Juli 2024 eine Ausstellung sowie eine Veranstaltungsreihe im Jupiter in der Mönckebergstraße, die sich mit aktuellen Fragen und Herausforderungen der Gestaltung von Wohngrundrissen beschäftigt:

Ausstellung „Innovative Grundrisse“ vom 3. bis 14. Juli 2024

3. Obergeschoss des Jupiter (Mönckebergstraße 2 – 4, 20095 Hamburg)

Öffnungszeiten

Montag und Dienstag, 10:00 – 21:00 Uhr

Mittwoch bis Samstag, 10:00 – 24:00 Uhr

Freitag bis Samstag, 10:00 – 1:00 Uhr

Sonntag, 10:00 – 18:00 Uhr

Eintritt frei

Rahmenprogramm zur Ausstellung

Mittwoch 3. Juli 2024, 18:00 UhrEröffnung – Wie können innovative Grundrisse im geförderten Wohnungsbau aussehen? Veranstaltet durch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen mit Unterstützung der D&K drost consult GmbHMit Beiträgen von Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und Patrick Gmür (Gmür Steib Architekten) sowie den ausgezeichneten Planungsbüros
Freitag, 5. Juli 2024, 16:30 UhrGewohnt Innovativ?! – Performative Präsentation Veranstaltet durch die Hafen-City Universität Hamburg im Rahmen einer SummerschoolMit Beiträgen von Vertr.-Prof. Dr.-Ing. Sabine Hansmann (HCU), Nicole Opel (BTU Cottbus), Prof. Dr.-Ing. Julia von Mende (Jade Hochschule Oldenburg), Regina Rossi (Choreographin) und Studierenden der HafenCity Universität Hamburg
Mittwoch, 10. Juli 2024, 16:30 UhrInnovation vs. Konvention – Diskursabend Veranstaltet durch die Hamburgische Architektenkammer sowie die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen mit Unterstützung der D&K drost consult GmbHMit Beiträgen von Oberbaudirektor Franz-Josef Höing, Karin Siebeck (Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen), Karin Loosen (Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer), Luca Selva (Selva Luca Architekt ETH BSA SIA AG), Volker Claussen (BVE – Bauverein der Elbgemeinden eG) sowie Snezana Michaelis (SAGA Unternehmensgruppe)
Donnerstag, 11. Juli, 2024, 19:00 Uhr  Wie wollen wir wohnen? – Abschlussveranstaltung Veranstaltet durch den Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA der Freien und Hansestadt HamburgMit Begrüßung durch Finn Warncke (1. Vorsitzender BDA Hamburg) und Beiträgen von Dr. Gerd Kuhn (Wohnsoziologe und Stadtforscher) sowie Sascha Zander (zanderroth Architekten, Berlin)