Ohnsorg-Theater-Star Wilfried Dziallas gestorben

Schauspieler Wilfried Dziallas wohnte jahrelang in Hamburg-Wandsbek. Am 18. September 2021 starb er im Alter von 77 Jahren. Foto: FoTe Press

(ha/mr). Vielen TV-Zuschauern war er aus dem „Großstadtrevier“ (ARD) als Revierleiter Bernd Voss und als Schauspieler im Ohnsorg-Theater bekannt: Wilfried Dziallas. Nun ist er gestorben, wie das Ohnsorg-Theater mitteilt. Seine erste Arbeit als Regisseur legte Wilfried Dziallas vor 68 Jahren im zarten Alter von neun Jahren vor. Das Theater war eine Waldschonung. Der Vorhang eine aufgehängte Wolldecke. Das Publikum Freundinnen und Freunde, Verwandte und Bekannte. Zur Aufführung gebracht wurde der fünfte Streich von „Max und Moritz“ nach Wilhelm Busch. Die Geschichte um Onkel Fritz und die Maikäfer. Die Vorstellung war voll und wurde ein großer Erfolg. Und die Eintrittsgelder von zwanzig Pfennig pro Person wurden sofort in Eis naturalisiert. Doch bereits die zweite Vorstellung
– eine Woche später – ließ den Jungen mit der harten Theaterrealität Bekanntschaft machen. Es
kam kein einziger Zuschauer. Eben noch hochgelobt, folgte der Absturz. Trotzdem war sein Weg
zum darstellenden Künstler damit vorgezeichnet.

Wilfried Dziallas wurde am 8. Mai 1944 in Hamburg geboren. Auch während der Schulzeit ließen die Lehrer meistens ihn die Texte im Unterricht lesen – weil er es so gut konnte. Auch seine Mitschüler glaubten schon, dass er einmal Schauspieler werden würde. Und doch ging Dziallas nach dem Gymnasium erst einmal den sicheren Weg und machte eine Lehre zum Außenhandelskaufmann. Anschließend ging er – statt zur Bundeswehr – in die Vereinigten Staaten und studierte dort Volkswirtschaft. Und immer hatte er das Gefühl „Willi, eigentlich willst du doch etwas anderes machen“, und spielte deshalb auch in den USA weiter nebenbei hobbymäßig Theater. Bis einer seiner Regisseure ihm dringend riet, sich seiner außergewöhnlichen Begabung zu stellen. Dziallas willigte ein und der Regisseur ebnete ihm den Weg, damit er sofort – mitten im Semester – das Schauspiel-Studium beginnen konnte. Nach Beendigung seiner Ausbildung kehrte er als fertiger Schauspieler und Regisseur nach Hamburg zurück. Er arbeitete jetzt einerseits wieder als Kaufmann, war aber vor allem freier Regisseur und Schauspieler. Er gründete eine freie Theaterproduktion und kam 1986 schließlich zum Ohnsorg-Theater. Ein Regisseur war erkrankt und Dziallas sprang nach nur einem Wochenende Vorbereitung ein. Das Stück hieß „Kramer Kray“ und seine Inszenierung wurde ein viel beachteter Erfolg. Und Dziallas blieb am Ohnsorg – erst als Gast, dann als festes Ensemblemitglied, zunächst als Regisseur, aber bald auch als Schauspieler, Oberspielleiter und Stückautor. Schnell lernten auch Film- und Fernsehregisseure Dziallas Können zu schätzen. Und waren anfangs eher Kinofilme sein Markenzeichen, so wurden es bald Serienrollen: etwa als Erich Harsefeld in „Girl Friends“, als Revierleiter im „Großstadtrevier“, als Willi Kockelkorn in „Herzensbrecher“ oder als Horst in der Comedy-Reihe „Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres“. Darüber hinaus übernahm er immer wieder gern Hörspielrollen. Anlässlich seines 75. Geburtstags hat eine Redakteurin bei Radio Bremen nachgezählt: Es fanden sich allein dort im Archiv über 140 Hörspiele mit seiner Beteiligung.

Doch seine große Liebe galt bis zuletzt dem Theater – und hier vor allem dem Ohnsorg-Theater. Mit seiner vielfältigen Arbeit hat er die künstlerische Entwicklung des Hauses entscheidend mitgeprägt. Als Regisseur mit Inszenierungen wie „Arsenik un ole Spitzen“, „Strandräubers“, Ibsens „Volksfiend“ und der 13-teiligen Comedy-Reihe des Theaters „Die Ohnsorgs“, die Dziallas zusammen mit Hartmut Cyriacks und Peter Nissen auch selbst geschrieben hat. Eine seiner besonderen Begabungen zeigte sich auch im Auffrischen von angestaubten alten Ohnsorg-Klassikern zu heutig unterhaltenden historischen Miniaturen. Immer wieder bestach er mit seinem außergewöhnlichen schauspielerischen Können – von komischen Rollen wie dem plietschen Penner Emil Schröpke in „Hartklabastern“ bis zu den vielschichtigen, tragischen Charakteren der Theaterliteratur. Wilfried Dziallas – ein feinsinniger Künstler und Meister seines Handwerks – vor und auf der Bühne, vor der Kamera, am Schreibtisch und am Mikrofon. Mit seinem herausragenden Gespür für Menschen fand er den Werkstoff für die Charaktere, die er in seinem Spiel auf der Bühne, im Film und vor dem Mikrofon so wahrhaftig verkörperte. Das war Schauspielkunst, die ihresgleichen sucht.

Am Sonnabend, den 18. September 2021, ist Wilfried Dziallas nach kurzer schwerer Krankheit
verstorben.

Ohnsorg-Intendant Michael Lang und das ganze Ohnsorg-Team trauern mit der Familie um eine der großen Persönlichkeiten des Ensembles, dem das Theater sehr viel zu verdanken hat: „Als Wilfried Dziallas 2004 die Rolle des Revierleiters Bernd Voss in der beliebten TV-Serie „Großstadtrevier“ übernahm, sagte er in einem Interview mit einer Hamburger Tageszeitung: ‚Ich habe viel gesehen und gemacht, aber das Theater war mein glückliches Schicksal‘. Aus vollem Herzen kann das Ohnsorg-Theater umgekehrt sagen: Wilfried Dziallas war ein Glücksfall für die Hamburger Traditionsbühne, und zwar auf der Bühne wie hinter den Kulissen. Zahlreiche heitere Rollen hat er mit feinem Gespür für Komik und mit trockenem, nie überzogenem Humor ebenso ehrlich gespielt wie nachdenkliche, tragische Helden in den Bühnen-Klassikern. Besonders eindringlich in Erinnerung bleiben mir sein Willy Lohmann in ‚Utmustert‘ und sein Professor Raat in ‚De blaue Engel‘. Die tiefen Verletzungen und kleinen Freuden seiner Bühnenfiguren hat er authentisch ausbalanciert zwischen Bodenständigkeit, Melancholie und Sehnsucht. Und wer Wilfried Dziallas hinter den Kulissen näher kennenlernte, erlebte seinen ‚Schalk im Nacken‘, mit dem er jede noch so vertrackte Situation souverän lösen konnte. Kein Wunder, dass mein Vorgänger Christian Seeler ihn über acht Spielzeiten als Oberspielleiter fest ans Ohnsorg band und mit ihm zusammen Stückauswahl, Spielpläne und Besetzungen bestimmte und somit das künstlerische Profil des Theaters in den Jahren vor und nach dem Jahrtausendwechsel schärfte.

Besonders gelang ihm das auch mit seinen vielen Regiearbeiten, in denen er das Schauspieler_innen-Ensemble mit schlüssigem Zugriff phantasievoll, virtuos und wertschätzend führte und stets zu Höchstleistungen antrieb. Wir verlieren einen wunderbaren Künstler, großartigen Kollegen und einen aufrechten, ehrlichen Freund, mit dem wir gerne ‚noch viele Pferde gestohlen‘ hätten. Wir sind in Gedanken bei seiner Familie.“


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