(ha/mr). Zum 13. Mal feierten sich die Radiomacher der Republik: beim Radiopreis. Bewegende Reportagen, vielversprechende Newcomer, herausragendes Informationsradio – in diesen und sieben weiteren Kategorien wurde der Deutsche Radiopreis am Donnerstagabend, dem 7. September, vor etwa 1.000 Gästen im Stage Theater „Neue Flora“ im Stadtteil Altona verliehen. Diesmal ging es allerdings nicht ganz so glamorös zu, wie in den vergangenen Jahren. Jahrelang wurde die Veranstaltung im Schuppen 52 auf der Veddel abgehalten, zum 10-jährigen Bestehen wurde sogar die Elbphilharmonie als Location ausgesucht. In diesem Jahr war erstmalig die „Neue Flora“ Austragungsort.
Der Rote Teppich fiel diesmal ebenfalls kleiner aus, als in der Vergangenheit. Apropos Roter Teppich: auch organisatorisch wurde offenbar gespart: beim professionellen Personal. Jahrelang war reichlich Platz für zahlreiche berichterstattende Presse. Sprich: Pressefotografen, Kamerateams und Journalisten. Nicht so in diesem Jahr. Die klare Ansage zunächst: „Fotografen müssen sich in die zweite Reihe aufs Podest stellen. In der ersten Reihe sollen sich die Kamerateams platzieren. Fotografen haben doch Zoom-Objekte und können doch gut über die Kamerateams rüber fotografieren.“
Natürlich wurde bei dieser Ansage der Mitarbeiter des für Medienvetreter zuständigen Pressebüros interveniert – und die meisten Fotografen durften dann doch in der ersten Reihe stehen bleiben.
Prominente Laudatoren wie Elke Büdenbender (Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier), Sebastian Fitzek und Aminata Belli überreichten die Auszeichnungen an die besten Radiomacher des Jahres. Ausgewählt wurden diese von der unabhängigen Jury des Grimme-Instituts aus mehr als 450 eingereichten Beiträgen, wie der Veranstalter mitteilt.
Katrin Bauerfeind und Thorsten Schorn moderierten die Preisverleihung gemeinsam. Emotionale und stimmungsvolle Musik-Highlights kamen von Freya Ridings, Jax Jones und Calum Scott, Purple Disco Machine, Ray Dalton sowie Kamrad.
Das sind die Preisträger des Deutschen Radiopreises 2023 und die Begründung der Jury:
Beste Morgensendung
„Berliner Rundfunk 91.4 mit Simone Panteleit und Team“
Berliner Rundfunk 91.4
Simone Panteleit und Christian Fuchs
Auf höchstem handwerklichen Niveau begleiten Simone Panteleit und ihr Team die Hauptstadt in den Tag und spielen neben der unterhaltenden sowie serviceorientierten Note vor allem ihre journalistische Kompetenz aus. Dem Format gelingt dank seines ungewöhnlich hohen Reporteranteils und seiner sympathischen Hartnäckigkeit eine starke lokale Verankerung. Das Wort »Team« im Titel ist dabei wörtlich zu nehmen: Simone Panteleit überzeugt mit souveräner Präsenz, spielt sich aber nie als Star auf, sondern lässt ihr engagiertes Ensemble aus Berlin-Reporter Christian Fuchs, Schmitti im Verkehrsstudio und Stadtführer Claas eigenständig glänzen.
Beste Reportage
„Teurer Wohnen“
Detektor.fm und radioeins vom rbb
Steen Lorenzen und Stephan Ziegert
Die Reportage „Teurer Wohnen“ greift bezahlbares Wohnen als zentrales gesellschaftliches Thema auf und entfaltet es atmosphärisch dicht wie journalistisch anspruchsvoll. Die Sendung ist schlau, verständlich und packend gebaut: Sie zieht als Informations-Collage alle Register einer zeitgemäßen Narration und überzeugt mit journalistischem Sachverstand, präziser Informationsaufbereitung, außergewöhnlichem Sounddesign und einer exzellenten Moderation. Das Format brilliert mit einer tiefen Rechercheleistung über Ländergrenzen hinweg, mit Perspektivenvielfalt und dem konstruktiven Aufzeigen von Lösungen.
Beste Programmaktion
„Wir haben Depressionen“
Radio Hochstift
Tobias Fenneker und Sinah Jakobsmeyer
Dass Radio Hochstift das Schweigen über Depressionen brechen wollte, ist lobenswert. Dass die Aktion auf so anschauliche, lebensnahe und vorbildliche Weise gelang, verdient eine Auszeichnung. 48 Betroffene aus dem Sendegebiet gaben der Krankheit ein Gesicht. Das Team des Lokalsenders schuf dabei eine Atmosphäre, die es ihnen leichter machte, sich öffentlich zu bekennen und so wiederum anderen Mut zu machen. Über zweieinhalb Tage kamen Betroffene, Angehörige und Experten zu Wort – mit dem nötigen Feingefühl und ohne den üblichen Zeitdruck des Formatradios. Die Vielfalt der Darstellungsformen unterstrich die Ernsthaftigkeit des Anliegens.
Bestes Informationsformat
„radioWissen – Die Olympia-Protokolle“
Bayern 2
Eva Deinert und Yvonne Maier
120 Minuten Wissensvermittlung auf höchstem Niveau! Das liefert der vierteilige Podcast „radioWissen – Die Olympia-Protokolle“. Darin erzählen die Autorinnen Eva Deinert und Yvonne Maier aus dem Team von Bayern 2 gekonnt ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte neu. Ihr monatelanges Studium von Verschlussakten im Staatsarchiv zu den Ermittlungen rund um das Münchner Olympia-Attentat von 1972 mündet in einer spannenden und hoch emotionalen Hörreihe. Die Jury findet: Ein bemerkenswerter Podcast – geprägt von außerordentlicher Recherchearbeit und hoher Professionalität!
Bestes Musikformat
„N-JOY Reeperbus“
N-JOY vom NDR
Alex Franz und Frank Probst
Im Rahmen des Reeperbahn-Festivals kreiert N-JOY einen physischen Ort, an dem der Musiknachwuchs sowie bekannte Stars kleine Mini-Konzerte geben. Und diese sind nicht nur von kenntnisreicher Hand kuratiert, sondern für alle offen und kostenfrei. Diese kleinen Off-Air-Konzerte werden wiederum gekonnt mit dem On-Air-Programm verzahnt. So können die Live-Gänsehautmomente nahtlos auch auf den Radio-Hörer, die Radio-Hörerin überspringen – sei es im linearen Radio oder in non-linearen Social-Media-Formaten. Die Grimme-Jury freut sich über dieses herausragende, Funken schlagende Musikformat.
Bestes Entertainment
„Grüße aus der Zukunft“
WDR 5
Tobias Brodowy
Wie traurig wäre unser Leben ohne Humor. Lachen ist gut fürs Gemüt und Balsam für die Seele. Umso schöner, wenn auch das Radio es immer wieder schafft, diese besonderen Momente On Air zu bringen. Mit „Grüße aus der Zukunft“ gelingt es Tobias Brodowy vorzüglich, die kleinen Unwägbarkeiten unseres Daseins wunderbar präzise einzufangen und sie mittels eines akustischen Fluxkompensators gleichsam in die Zukunft zu beamen, wo diese dann auf die Errungenschaften von AI, KI und Co. treffen und sich dadurch überraschende und verrückte Geschichten entwickeln. Behutsam beobachtet, herrlich überspitzt dargeboten und dabei eine „bedingungslose Technikverliebtheit“ mit einem großen Augenzwinkern hinterfragend. Das alles mit viel Liebe zum Detail – hörspielartig in Szene gesetzt. Eine Radio-Comedy auf Next Future Level!
Bester Newcomer
Isabelle Ihden
Radio TEDDY
Isabelle Ihden meistert die anspruchsvolle Aufgabe, Kinder und Eltern fünf Stunden lang durch den Nachmittag zu begleiten. Ihre Ansprache ist stets auf Augenhöhe mit der ganz jungen Zielgruppe, nie anbiedernd, nie von oben herab, sondern immer so, dass man ihr echtes Interesse am Austausch von Ideen spürt. Das hohe Maß an Interaktion kommt ihrer spielerischen Leidenschaft entgegen. Wenn Kinder zum Teil der Show werden, bereitet die Gastgeberin ihnen für ein paar Minuten die große Bühne. Eltern können derweil sicher sein, dass dies mit gehörigem Einfühlungsvermögen geschieht.
Beste Sendung
„Bremen NEXT am Nachmittag – Live aus der JVA Oslebshausen“
Bremen NEXT von Radio Bremen
Jochen Burchard und Larissa Sobral
„Ich sehe ganz viel Stacheldraht …“. Dieser Satz kündigt eine besondere Live-Sendung an. Jochen Burchard, Larissa Sobral und das Team von Bremen NEXT nehmen uns mit in eine andere Welt, die ihre eigenen Regeln und Gesetze hat. Atmosphärisch dicht – mit vielen interessanten Gesprächen mit Insassen und Mitarbeitenden der JVA Oslebshausen über deren Alltag und Arbeit hinter Gefängnismauern – ist dem Team eine eindrucksvolle Live-Sendung zu einem komplexen Thema gelungen. Das Moderator:innen-Duo versteht es dabei, durch eine lockere und authentische Gesprächsführung, den „Knastalltag“ bildhaft darzustellen und ihn aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Dabei vermeiden sie das Bedienen von Klischees. Abgerundet durch die Musikauswahl, gehen wir auf eine 4-stündige Reise in eine andere Welt. Ein ganz besonderer Radiomoment!
Bestes Interview
„Sabrina trifft…Bestatter Daniel Streidt“
Donau3FM
Sabrina Gander
Diese Geschichte berührt und bleibt im Gedächtnis: Donau3FM-Moderatorin Sabrina Gander entlockt Daniel Streidt im Rahmen ihres Sonntagstalks sehr persönliche Eindrücke. Das Ehrenamt des Allgäuers ist es, das Zuhörende mehr als eine halbe Stunde lang fesselt: Der Bestatter redet sich bei „Sabrina trifft…“ von der Seele, was er bei seinem Hilfseinsatz in der Türkei nach dem verheerenden Erdbeben am 6. Februar 2023 erlebt hat. Ein unvergesslicher Höreindruck! Dafür zeichnet die Jury die Ulmer Journalistin mit dem Deutschen Radiopreis für das „Beste Interview“ des Jahres 2023 aus.
Bester Moderator
Maurice Moore
bigFM
Maurice Moore alias Reece verfügt über eine seltene Mischung aus Lässigkeit und Direktheit, die den ungefilterten Austausch mit Hörerinnen und Hörern prägt. Bei »Reece am Abend« geht mehr Meinungspluralität als in manchem Polit-Talk, aber immer mit klaren Leitplanken, die sich organisch aus der Haltung des Moderators speisen. Mit wortgewandtem Entertainment-Talent feiert er schon im nächsten Moment den Deutschrap und dessen Stars, ohne dass die Übergänge peinlich wären. Ein ebenso authentisches wie energiegeladenes Ein-Mann-Radio-Kraftpaket.
Über den Deutschen Radiopreis
Seit 2010 werden mit dem Deutschen Radiopreis die besten Radiomacher Deutschlands geehrt. Stifter des Deutschen Radiopreises sind die Hörfunkprogramme der ARD, Deutschlandradio und die privaten Radiosender in Deutschland. Gesellschafter sind die Radiozentrale – eine gemeinsame Plattform privater und öffentlich-rechtlicher Sender zur Stärkung des Hörfunks – und die NDR Media, die Vermarktungsgesellschaft des NDR. Zu den Kooperationspartnern zählen das Grimme-Institut, die Freie und Hansestadt Hamburg sowie die Radio-Vermarkter ARD MEDIA und RMS. Die Federführung liegt beim Norddeutschen Rundfunk (NDR).