(mr/ha). Mehr als 1.300 Mal hat der HVV seit Beginn des Jahres ein Bußgeld wegen Betteln und Musizierens in den U- und S-Bahnen erhoben. Die dadurch erzielten Einnahmen belaufen sich auf insgesamt 52.760 Euro im laufenden Jahr 2024. Im gleichen Zeitraum gab es 190 Beschwerden anderer Fahrgäste in den S- und U-Bahnen. Dies geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor.
Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurde im ersten Halbjahr 838 Mal ein Bußgeld erhoben und damit 33.520 Euro eingenommen, Beschwerden gab es 185. Das ist das Ergebnis einer Kleinen Anfrage von Olga Fritzsche, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.
„Betteln ist Ausdruck einer extremen Notlage. Die Menschen tun dies in der Regel, weil sie darauf angewiesen sind und keine anderen Einkünfte haben. Wer hier mit Bußgeldern vorgeht, nimmt das Geld wirklich von den Falschen. Außerdem wissen wir doch längst: Verdrängung löst keine sozialen Probleme“, sagt Olga Fritzsche.
In der Antwort des Senats heißt es: Die Durchsetzung der Beförderungsbedingungen dient dem Ziel, dass sich alle Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr sicher fühlen und ein wohlwollendes Miteinander herrscht, zu dem alle gemeinsam beitragen. Für die Einhaltung der Beförderungsbedingungen sind die Verkehrsunternehmen verantwortlich.
Die im Gemeinschaftstarif der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (hvv) geltenden Beförderungsbedingungen umfassen eine Vielzahl von Ge- und Verboten und bilden damit die Handlungsgrundlage zur Gewährung der Sicherheit und Ordnung in den Verkehrsmitteln. Hierunter fällt nicht nur das Verbot des Bettelns und Musizierens (§ 4 Absatz 2 Nummer 13), sondern auch weitere Handlungen wie der Konsum von Alkohol, das Rauchen von (E-)Zigaretten, das Beschädigen von Fahrzeugen oder Betriebsanlagen, das laute Abspielen von Musik oder das Verteilen von Druckschriften. Das Verbot des Bettelns und Musizierens ist seit dem Jahr 2004 in den Beförderungsbedingungen
enthalten. Daneben gibt es weitere unerwünschte Verhaltensweisen, wie zum Beispiel
das Auflegen von Füßen auf die Sitze.
Die Hochbahn nimmt in ihrem Blog offiziell Stellung zu den neuen Durchsagen: Die Regel, dass in Hochbahn-Anlagen nicht gebettelt werden darf, ist nicht neu. Sie ist seit Langem Bestandteil der „Allgemeinen Beförderungsbedingungen“ im hvv, genau wie etwa das Alkoholverbot oder die Mitnahmezeiten von Fahrrädern. Was sich allerdings geändert hat, ist die Umsetzung: Mit den Durchsagen ist die Sprache jetzt schlicht deutlicher geworden (denn seien wir ehrlich, welcher Fahrgast liest die Beförderungsbedingungen mit all ihren Details schon wirklich?) und die Regeln werden so nun konsequenter durchgesetzt. Das erleichtert auch die Arbeit der Hochbahn-Wache, denn die Hinweise schaffen Klarheit, wenn sie bettelnde Menschen verstärkt anspricht und auffordert, die Fahrzeuge und Haltestellen zu verlassen.
Seit dem 22. Mai 2024 weist die HOCHBAHN in den U-Bahnen verstärkt auf die Einhaltung der Beförderungsbedingungen hin. Dies geschieht durch die sechs folgenden Motive im Fahrgastfernsehen:
- Verbot, die Schuhe auf die Sitze zu legen,
- Rauchverbot,
- Alkoholverbot,
- Fahrscheinpflicht,
- Bettelverbot,
- Musizierverbot.
Zudem werden Durchsagen zu folgenden drei Themen durchgeführt: - Verbot zu musizieren und Musik/Videos laut abzuspielen,
- Rauch- und Alkoholverbot,
- Bettelverbot.
Die Durchsagen werden unabhängig von konkreten Situationen stündlich und thematisch alle drei Stunden wechselnd in U-Bahnen abgespielt. Die S-Bahn Hamburg schaltet seit dem 22. Mai 2024 ebenfalls täglich zwischen 10 Uhr und 20 Uhr einmal pro Stunde in allen Fahrzeugen eine Durchsage. Im Übrigen erfolgen keine Hinweise oder Durchsagen zum Musizier- und Bettelverbot.
Nach § 4 Absatz 8 der hvv Beförderungsbedingungen hat der Fahrgast „bei Verstoß gegen die Untersagungen nach Absatz 2 Nr. 13 (Verbot von Betteln/Musizieren) (…) eine Vertragsstrafe von 40 Euro zu zahlen.“ Die Verkehrsunternehmen sind für die Erhebung der Vertragsstrafe eigenständig verantwortlich.
Meinung: Unser Redakteur Daniel Schmidt ist am Freitag, dem 9. August 2024, mit der S-Bahn vom Berliner Tor bis zur Haltestelle Othmarschen gefahren. Während seiner Fahrt (in den Mittagsstunden) kamen insgesamt vier Personen durch die S-Bahn gelaufen, hielten mehrfach im Eingangsbereich an und nach dem Schließen der Türen und stellten sie sich den Fahrgästen vor. „Guten Tag, Entschuldigung die Störung. Mein Name ist (…), ich bin seit einigen Monaten obdachlos und wollte fragen, ob Sie vielleicht ein bisschen Kleingeld, Pfandflaschen oder etwas zu Essen oder Trinken für mich haben.“
Diesen Satz hörte Redakteur Schmidt viermal. Jedes Mal blieben die Bettler bei jeder einzelnen Sitzgruppe stehen, baten die einzelnen Fahrgäste um eine kleine Spende.
Das kann stören! Da liest man sein Buch, wirft einen Blick auf seine Mails oder genießt die Aussicht aus einem der Fenster – und jedes Mal wird man angeschnorrt. Liebe Obachlosen, liebe Mitmenschen. Setzt euch doch bitte in die Nähe eines U- oder S-Bahnhofs und bettelt passiv um Geld, Pfanddosen oder Essen/Trinken. Jeder Fahrgast kann gezielt auf euch zukommen und euch unterstützen, wenn er es denn möchte. Aber das gezielte Ansprechen von Fahrgästen in den Bahnen selbst ist nervig – das muss offen und ehrlich gesagt werden. Bei allem Verständnis für eure Not. Danke.